DIE TOTEN HOSEN, 20.07.2013, SCHWEINFURT,
WILLY-SACHS-STADION
20.000 Fans haben die Toten Hosen ins Schweinfurter
Willy-Sachs Stadion gelockt. Nachdem in den letzten Jahren
Altrocker wie Scorpions, Peter Maffay oder BAP ihre Bühne auf
dem Spielfeld aufgebaut hatten, waren diesmal die Düsseldorfer
Punkrocker dran. Allerdings ist die schon seit Monaten
ausverkaufte Show von Campino & Co. inzwischen auch schon
zur Samstagabend-Familienshow im Stil von Wetten dass…
geworden. Kein „Ficken, Bumsen, Blasen“ mehr, stattdessen
Kinder und Kegel auf der Bühne. Keine Stunts an Lichttraversen,
kein trunkenheitsbedingtes Chaos auf der Bühne wie früher. Good
Clean Family Entertainment!
Aber trotz Mainstream haben sich die Hosen politisch klar
positioniert: nach dem Song „Sascha“ gibt’s eine klare Ansage
an alle Nazis und neben dem Merchandise-Stand werden im Namen
der Band Unterschriften für „Pro Asyl“ und „Oxfam“ (richtet
sich gegen Finanz-Spekulationen mit Lebensmitteln)
gesammelt.
Los ging‘s gegen 18 Uhr mit Wölli & Der Band des Jahres,
dem ehemaligen Hosen-Schlagzeuger und seinen Begleitmusikern,
die sich als alte Männer weit über ihrem Zenit präsentierten.
Den peinlichen Auftritt konnte nicht mal der Besuch von
Hosen-Drummer Vom Ritchie beim Song „Two Drunken Drummers“
retten. Schwamm drüber!
Die Donots lieferten dagegen wie immer eine energiegeladene
Show und viel gute Laune ab. Sänger Ingo Knollmann dirigierte
souverän Publikum und Mosh-Pit. Und auch die Songs der
Sunny-Boy-Punker aus dem westfälischen Ibbenbüren sind mit dem
jüngsten Album „Wake The Dogs“ spürbar besser geworden.
Tomte-Sänger Thees Uhlmann hatte es dann mit seiner neuen Band
schwer mit dem Punkrock-Publikum, konterte das lustlose
Mitwippen in den ersten Reihen aber mit grenzenloser Sympathie
und lustigen, kleinen Geschichten zwischen den Songs. Vom neuen
Album, dass Ende August erscheint, spielte er zwar nur einen
einzigen Song, der war allerdings sehr vielversprechend. Für
Gänsehaut sorgte der Boss des Hamburger Indie-Labels Grand
Hotel van Cleef bei der Ansage zu „& Jay-Z singt uns ein
Lied“: Dieser Song ist der größten Zeitung Schweinfurts
gewidmet: dem Kosmischen Penis! Wer kennt den Kosmischen Penis?
Und die Hälfte des ausverkauften Stadions jubelte! Das ging
nicht nur der Penis-Redaktion runter wie Öl…
Campino zeigte sich dann für die Hosen-Show extrem gut
vorbereitet, wusste, dass Schweinfurt in Unterfranken liegt und
der FC 05 dieses Jahr den Aufstieg in die Regionalliga
geschafft hat. Er beschwor im Willy-Sachs-Stadion den Geist des
Fußballs und erhob eine Lobeshymne auf den früheren
Schweinfurter Nationalspieler Albin Kitzinger. Mit seinen guten
Kenntnissen über die Gastgeber konnte der Hosen-Sänger punkten,
genauso wie mit dem Gastaufritt eines jugendlichen Fans: Hannes
aus Coburg – geschätzte 12 Jahre alt – hielt in den ersten
Reihen das Transparent „Ich singe am besten Paradies!“ hoch und
durfte prompt auf die Bühne kommen und sein Talent vor 20.000
Menschen unter Beweis stellen.
Überflüssig war dagegen die Einlage des Sohnes von
Hosen-Gitarrist Kuddel, der mit einer Urlaubsfreundin zwei
Akustik-Songs trällern durfte. Weitaus professioneller war dann
der Gastauftritt von Donots-Sänger Ingo Knollmann, der „All die
ganzen Jahre“ intonieren durfte.
Schwerpunkt im Programm waren aber die Songs des aktuellen
Albums „Ballast der Republik“: „Tage wie diese“, „Altes Fieber“
oder „Draußen vor der Tür“. Nur in wenigen Momenten blitzte das
alte Hosen-Flair auf. Zum Beispiel bei der
Bommerlunder-Stimmungsrakete oder den 10 kleinen Jägermeistern.
Den ersten Zugabenblock verbrachte die Band dann auf einer
kleinen Bühne mitten im Publikum und zelebrierte die
„Opel-Gang“ und den „Bofrost Mann“. Danach gings weiter auf der
großen Bühne. Nach zwei Stunden Bombast-Show mit
Riesen-Leinwand-Animationen, Ami-Flitter-Kanonen und amtlicher
Lightshow war dann Schluss und ein extrem bunt gemischtes
Publikum aus mindestens drei Generationen verließ erschöpft den
ramponierten Rasen.
Bester Beleg: Scallwags-Sänger Thomas Tille wollte mit Frau
zur Show und fragte die Schwiegereltern, ob sie Baby sitten
können. Die Antwort: Geht nicht, wir haben Karten für die
Hosen!
Wolfram Hanke
Tomte Thees und Wolle, die schreibende Gesichtswolle.