SINGER/SONGWRITER
NICOLAS STURM
NICOLAS STURM
PIAS / ROUGH TRADE
Komische Kombi, denkt man sich beim musikjournalistischen
Erstscan dieses Produkts. Rein vom Albumtitel tippt man
vielleicht auf ein Hörspiel. Das Label Pias bringt eigentlich
eher englischsprachigen, hochwertigen Indierock in die Läden
und das Künstlerbild auf dem Cover lässt schlimmes deutschen
Singer-Songwriter-Akustikgedöns befürchten. Doch Nicolas Sturm
überrascht mit einer gekonnten Mischung aus dem rebellischen
Geist des Gottvaters Dylan, dem Spirit mancher opulenter
Britpop-Melodie-Arrangements und einer direkten Sprache, die
dem Panikvater Lindenberg sogar soweit gebracht hat, dem
gebürtigen Stuttgarter zu fördern mit seinem – ja – Panikpreis.
Zwar hat man das Gefühl, der junge Herr Sturm raucht wegen der
Texte etwas zuviel, ist aber dann dankbar, dass es neben den
ganzen Teenimädchen-Säuslern mit umgeschnallter Alibi-Gitarre
auch richtig talentierte Liedschreiber hierzulande gibt, die
Folk nicht nur nachspielen, sondern ihren ganz eigenen Weg
gehen. Sturm ist der Beweis, dass es auch Leben gibt neben den
nervigen Nuschel-Weicheiern, dass es eine Zukunft gibt für die
Lyrik, die Kunze, Wader oder der Wecker früher abseits der
Hitparaden zelebriert haben. Sorry an die ganze junge deutsche
Singer-Songwriter-Epidemie, aber was ihr von Hesse nicht
gelernt habt, hat Herr Sturm ganz begriffen. Ich könnte jetzt
Textbeispiele aus dem Debutalbum des Dreißigjährigen zitieren,
aber da hört der Leser besser selber rein. An Kraftausdrücken
und gleichzeitig wunderschönen Wortspielen mangelt es
jedenfalls nicht. Dazu werden einige Songs, die immer mit
Drums/Gitarre (live tritt er auch in dieser Kombi auf)
einegespielt werden, zusätzlich mit E-Klampfe und anderem
aufgepeppt. Fazit: Hat Zukunft, endlich auch mal ein deutscher
"Angry young man", dessen Musik mich mit kantigem
Liedermacherspirit statt Songwriterwatte positiv überrascht
hat.
Ewald Funk
7 VON 9