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ROCK IM WALD, 27.07.2013, WALDSTADION NEUENSEE BEI
LICHTENFELS
Es soll das heißeste Wochenende des Jahres werden -
Rekordtemperaturen sind prognostiziert - und es wird das
heißeste Festival des Open Air Sommers. Rund 1.200 Gäste finden
den verschlungenen Weg zu dem oberfränkischen Fußballplatz, auf
dem sonst der VfB Neuensee seine Heimspiele in der A-Klasse
austrägt. An der Rückseite des Sportheims ist die Bühne
aufgebaut, die Kabinen für Künstler und Anhang reserviert. Das
Bier gibts an der Eckfahne, das Mischpult steht am
Elfmeterpunkt und das Publikum verteilt sich in Mittelfeld und
Strafräumen. Umrahmt wird der Platz von riesigen Nadelbäumen,
die kostbaren Schatten spenden, bei fast 40 Grad im
Schatten.
Wir steigen ein ins Programm beim Stonewall Noise
Orchestra. Die Jungs aus Borlänge / Schweden sind
Publikumslieblinge im Club Nepomuk in Altenkunstadt, dessen
künstlerische Leitung auch für Rock im Wald verantwortlich ist.
Die Schweden überzeugen vom ersten Ton an mit saftigem Stoner
Rock. Eine Dreiviertel Stunde Songmaterial ohne erkennbare
Schwachpunkte und zum Schluss gibts eine Version von "Kick Out
The Jams" von MC5 als Zugabe. Feine Sache!
Es folgen The Treatment aus Cambridge /
England mit klassischem Heavy Metal im Stil der Achtziger.
Ausgestattet mit Spandexhosen, Vokuhila-Frisuren,
Nietenarmbändern und Jeanswesten klingen die Jungs im Alter von
höchstens Mitte 20 wie eine härtere Version von Bon Jovi. Kein
Wunder, dass die Poser schon mit Steel Panther auf Tour waren.
Bei Rock im Wald sind sie ganz eindeutig Exoten, aber mit ein
bisschen Humor ein willkommener Farbtupfer im Programm.
Das Publikum ist sowieso tiefenentspannt. Zu finden sind
vorwiegend langhaarige, schwer tätowierte, trinkfreudige
Stoner-Rocker, kaum Normalos mit Hosen- oder Beatsteaks-Shirts.
Und auch der Modetrend "langer Bart frisst jungen Mann" hat
sich in der oberfränkischen Provinz längst durchgesetzt.
Es geht weiter im Programm mit Valient Thorr
aus Chapel Hill / North Carolina. Die Jungs aus den Staaten
sehen aus wie passionierte Waldmenschen mit meterlangen Bärten
und ausufernder Brustbehaarung und tragen alle den
Familiennamen Thorr. Nur der Sänger nennt sich Valient Himself.
Die Band aus dem Südosten der USA macht räudigen,
grobschlächtigen Rock'n'Roll der sofort in die Beine geht und
liefert den perfekten Party-Soundtrack für den späten
Nachmittag! Der Mix aus Metal, Southern und Stoner tritt mit
Riesenschritten in die Fußstapfen von Turbonegro.
Danach gibts erstmal Abkühlung bei den Klos. Dort haben die
Veranstalter einen Gartenschlach für die Besucher installiert.
Ein paar Kids mit Geschäftssinn kapern den Schlauch und machen
jeden Besucher gegen Geld nass. Auf die Frage nach dem
Verdienst erzählt uns ein Knirps von 35 Euro, die er komplett
in Crepes und Süßigkeiten reinvestiert hat. Rock im Wald glänzt
generell durch extrem faire Preise. Ein halber Liter Bier
kostet 2 Euro 50, ein Festival-Shirt 12 Euro.
Um 21 Uhr stehen dann Orange Goblin auf der
Bühne. Die Jungs aus London / England standen vor vier Jahren
schon einmal auf der Bühne in Neuensee und bestechen auch
dieses Jahr durch wuchtigen, doomigen Stoner-Rock. Sänger Ben
Ward, ein langhaariger Riese mit furcheinflößendem Blick, gilt
hinter der Bühne als der netteste Mensch der Welt. Die Briten
heizen das Publikum schon mal für den Top Act des Abends an:
Vista Chino, formerly known as Kyuss Lives!
formerly known as Garcia plays Kyuss. Nach einem langwierigen
juristischen Streit mit den früheren Mitgliedern haben sich
John Garcia, Brant Bjork und Nick Olivieri entschieden, als
Vista Chino weiter zu machen. Olivieri darf aber wohl aus
juristischen Gründen das Land nicht verlassen, deshalb ersetzt
ihn Mike Dean von Corrosion Of Conformity. Die Gitarre spielt
der Belgier Bruno Fevery, der schon als Teenager in einer
Kyuss-Tribute-Band gespielt hat. Der Gig in Neuensee ist das
erste Konzert der Band auf europäischen Boden. Es gibt
natürlich eine ganze Menge Kyuss-Klassiker wie "One Inch Man",
"Gardenia", "Thumb" oder "Supa Scoopa And Mighty Scoop" bei dem
das Publikum tobt und natürlich auch neues Material, bei dem
die Reaktionen logischerweise noch verhalten sind.
Das erste Album erscheint Ende August 2013 auf dem
österreichischen Metal-Label Napalm Records. Sänger John
Garcia, die große, alte Diva des Wüstenrock, wirkt wahnsinnig
ernst und konzentriert, wie eine Opernsängerin, die auf keinen
Fall ihren Text vergessen darf. Es gibt keine Ansagen, kein
Hallo, kein Tschüss und ein schüchternes Klatschen am Ende.
Immer wieder geht er von der Bühne, nimmt sich Auszeiten und
lässt die anderen alleine weiter spielen. Und Brant, Bruno und
Mike liefern die so heiß geliebten Kyuss-Shuffles,
knochentrockene Wüstenriffs und jede Menge Groove. Es gibt
einen Gastauftritt von Ben Ward und am Ende darf sogar Brant
Bjork einen Song mit seiner Stimme bereichern.
Nach eineinhalb Stunden ist das erste Europa-Konzert von Vista
Chino vorbei und alle sind erschöpft und zufrieden. Ein
großartiges Festival, großartige Bands, faire Preise. Bis auf
ein paar lästige Mücken gibts nichts zu meckern. Am Ende hat
sogar noch der BVB die Bayern im Supercup mit 4:2 besiegt. Was
will man mehr?
Wolfram Hanke