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BUCHREZI DEUTSCHLAND MUSS STERBEN – DER WERDEGANG DER PUNKBAND SLIME

BUCHREZI DEUTSCHLAND MUSS STERBEN – DER WERDEGANG DER PUNKBAND SLIME

DEUTSCHLAND MUSS STERBEN – DER WERDEGANG DER PUNKBAND SLIME
DANIEL RYSER
HEYNE HARCORE, 265 SEITEN

Slime waren und sind die berühmteste Punkband Deutschlands. Mit Songs wie „Deutschland muss sterben“ oder „Wir wollen keine Bullenschweine“ haben die Hamburger reihenweise für Indizierungen gesorgt und damit Musikgeschichte geschrieben. Jetzt hat der Schweizer Journalist Daniel Ryser, der in dem Jahr geboren wurde, als die erste Slime-Single erschien, die außergewöhnliche Geschichte einer Band erzählt, die lange als legitimer Nachfolger der legendären Polit-Band Ton, Steine, Scherben galt. „Deutschland muss sterben“ schildert die Bandgeschichte von turbulenten Anfangsjahren mit Straßenschlachten, Hausbesetzungen und der Beschlagnahmung des ersten Albums „Slime 1“ über das zwischenzeitliche Aus im Jahr 1994 und den damit verbundenen Meinungsverschiedenheiten bis zum triumphalen Comeback beim 100-Jahre-FC St. Pauli-Fest im Millerntor-Stadion im Jahr 2010. Slime galten von Anfang an als eine der radikalsten Polit-Punk-Bands des Landes, die der wachsenden autonomen Szene rund um die Hafenstraße die Parolen lieferte. Sie wetterten in ihren Texten gegen Polizeigewalt, Faschisten und Kleinbürgerlichkeit. Fast wie in einem Dokumentarfilm erzählt Autor Daniel Ryser den Werdegang und die Hintergründe der Band in unzähligen Interviews und Schilderungen von Bandmitgliedern und befreundeten Musikern wie Schorsch Kamerun (Goldene Zitronen), Frank Ziegert (Abwärts), Campino (Die Toten Hosen) oder Rodrigo González (Die Ärzte). Zu Wort kommen aber auch Zeitzeugen wie Eugen Honold (Punkfanzine „Pretty Vakant“), Sven Brux (Sicherheitschef FC St. Pauli) oder Knut Ipsen (Rockergang Likedeeler). Und zu erzählen gibt es einiges: wie die Band zu ihrem Plattenvertrag mit dem verurteilten Links-Terroristen und RAF-Sympathisanten Karl Ulrich Walterbach kam, wie Gitarrist Elf The Clash-Sänger Joe Strummer bei Gig in der Hamburger Markthalle das Mikro geklaut hat, weil er angeblich den „echten“ Punkrock verraten hätte, oder wie Sänger Dirk in der Hamburger Hafenstraße in einem besetzten Haus zwischen Sprengfallen, Barrikaden und Molotow-Cocktails auf den großen „Bullen-Angriff“ wartete. Unzählige Anekdoten machen die 265 Seiten zu einem Buch, das nie langweilig wird. Man erfährt, wie sich Sänger Dirk der legendären linksradikalen Rockergang Likedeeler anschließt, die als eine Art alternatives Einsatzkommando Nazis verhaut und wieder abrückt oder wie Gitarrist Elf in der RTL-Quizshow „Wer wird Millionär“ 16.000 Euro für eine US-Konzertreise von Slime gewinnt. „Deutschland muss sterben“ erzählt aber auch, was die Bandmitglieder nach dem Split 1994 getrieben haben: wie Schlagzeuger und Hauptsongwriter Stephan Mahler zum Stoffgroßhändler (gemeint sind Textilien…) wurde, Bassist Eddie Räther als Geschäftsführer in der Müllentsorgungsbranche Karriere machte und Gitarrist Christian Mevs mit dem von ihm gegründeten Soundgarden-Studio die Hamburger Schule mit Bands wie Tocotronic oder Blumfeld aus der Taufe hob. Geschildert wird, warum Sänger Dirk erst glühender HSV-Fan war und dann ins Fanlager des FC St. Pauli wechselte und wie sich Elf mit Bands wie Abwärts, Rubberslime, Destination Zero oder Die Mimmi’s die Zeit bis zur Slime-Reunion vertrieben hat. Auch die Auseinandersetzungen mit der Punkszene, die der Band immer wieder ihren kommerziellen Erfolg zum Vorwurf machte, werden thematisiert. Dazu gibt’s viele Fotos aus dem umfangreichen Bandarchiv. „Deutschland muss sterben“ punktet durch viele Hintergrundinfos, erklärt im Nachhinein einige umstrittene Entscheidungen der Band und beleuchtet außerdem die Unterschiede zwischen der Hamburger, Berliner und Düsseldorfer Punkszene. Ein Muss für alle Punkrockfans, für alle anderen aber auch eine empfehlenswerte Lektüre.

WH  

8 von 9 Punkten