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SO WAR: ROCK IM PARK, SAMSTAG, 04.06.2016, NBG. ZEPPELINFELD

Tag zwei bei Rock im Park. Die Langversion unseres RIP-Nachberichts von Lea Biermann formuliert. Da wir nicht allen Bühnen machen konnten, natürlich mit vielen Lücken. Wer „seine“ Band nicht wiederfindet und gerne etwas darüber schreiben möchte, wir nehmen gerne noch Gastbeiträge auf, per Email bitte an redaktion@rcnmagazin.de.
SO WAR: ROCK IM PARK, SAMSTAG, 04.06.2016, NBG. ZEPPELINFELD
August Burns Red, Foto:: Salasnich
SO WAR: ROCK IM PARK, SAMSTAG, 04.06.2016, NBG. ZEPPELINFELD

Text: Lea Biermann
Fotos: Matteo Salasnich


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Wie sich schon am Vortag die Befürchtung aufgetan hat, tun es an Tag zwei die dunklen Wolken, die Rock am Ring zur späten Stunde noch verhängnisvoll erschüttern lassen und die Veranstalter sich gezwungen fühlen werden, die große Schwester aus Schutzmaßnahmen abzubrechen. Bis dahin zeigt sich aber Sonne statt Gewitter im Frankenland und anstelle von Blitzen donnert der Bass ohrenbetäubend und apokalyptisch über das Gelände. Inklusive der ein oder anderen Dunstwelle von Fäkalien und hochprozentigem Schlammcocktail, aber wer jetzt noch umdreht, ist selbst schuld.

Denn zum Einstieg des Programms, das ebenso vielschichtig durchzogen ist wie der Wetterbericht an diesem Tag, stellen sich Of Mice & Men aus Kalifornien auf die kalifornisch-beleuchtete Zeppelin-Stage. Wer gestern bei Bring Me The Horizon war und auf While She Sleeps am späten Nachmittag wartet, steht also früh auf, regeriert die Reserven mit ausgewogener Festivalnahrung, und cremt die sanfte Metalcorer-Haut gut ein. Verhältnismäßig sind OM&M gut besucht und vor allem auch gut betanzt (falls es nicht ein komplett widersprüchliches Statement an sich wäre, Pogen, Moshen und Circle-Pitten als Tanz zu degradieren).

Das komplett gegensätzliche Pendant bieten Walking On Cars im Anschluss auf der Park-Stage, die vom Sound ein bisschen an Of Monsters & Men erinnern und ebenso durch männliche und weibliche Stimmgebung zu folklorischer Indie-Musik herausstechen. Als ruhiges Intermezzo zum ersten überteuerten Bier an diesem Tag nicht schlecht und für viele, die deren eingängigen Song und Abschluss „Speeding Cars“ kennen, ein frühzeitigen Höhepunkt des Samstags.

Breaking Benjamin auf der Hauptbühne haben seit ihrer Auflösung und Wiedervereinigung 2014 das neue Album „Dark By Dawn“ im Gepäck, dessen Cover an der Bühnenwand naturkatastrophale Töne verspricht, insgesamt aber beinahe etwas lau ausfällt. Selten lassen sie es sich entgehen, darauf hinzuweisen, dass dies ihr erster Auftritt in Deutschland ist. Und als Sänger Benjamin Burnley abschließend fragt, wer sie auch ein zweites Mal in der Zukunft beehren würde, schießen mehr Hände in die Höhe, als zugewandter Gesichter, scheint es. Da kein Spalier des Jubels bisher ausgebrochen und der einzige einstimmig gefeierte Song das „Smells Like Teen Spirit“-Cover ist, erweckte es zumindest ein bisschen den Eindruck, dass die Proportionen nicht hundertprozentig stimmen.

Bevor Tenacious D auf derselben Stage die hohen Erwartungen auf eine unterhaltsame Show hochkochen lassen, geht es aber für einen kurzen Abstecher zu While She Sleeps in die Arena, die mit der ekstatischen Live-Präsenz bis in die letzte Reihe polarisieren. Die Tribünen werden noch nicht geöffnet, auch wenn das gar keine schlechte Idee gewesen wäre, in Anbetracht der überströmenden Menge, die sich bis zur Kloschlange ansammelt.

Viele pilgern dann aber zu den beiden Herren von Tenacious D, zu denen sich der erste Gedanke aufzwängt, wie verdammt alt sie mittlerweile aussehen. Schon immer etwas beleibter, aber nun von grauem Barthaar oder gar der Absenz jegliches Haupthaares gezeichnet, wackeln Jack Black und Kyle Gass auf die Zeppelin-Stage, die der Pick of Destiny als Banner ziert. Ein kurzes Tribute-Video-Déjà-Vu bahnt sich auf, als der verkleidete Sasquatch ebenso auf die Bühne galoppiert und rügt und schilt wie es sich gehört, wenn man den Titel Best Song In The World für sich beansprucht. Gleich im Zenit des dritten Songs hängt die vermeintliche (?) Playback-Spule, woraufhin Jack Black – die Personifikation von komödiantischer Genialität und überladener Arroganz – empört seinem Bandkollegen erklärt, dass jeder Playback spiele. Mr Gass, der backstage angeblich Suizid begangen habe, reinkarniert sich praktisch selbst mit blauer Snapback, um in das anschließende „Kyle Quit The Band“ wieder musikalisch einzustimmen. Keine zwei Songs nach Gasses Ostermesse wird das Programm erneut für eine Einlage unterbrochen, um nun auch Jack Blacks Zerrissenheit zwischen Schauspiel und Musik zu schlichten. Auf den Übertragungsbildschirmen wird eine Filmsequenz gezeigt, in der Black sich in gebrochenem Deutsch Freiern für „Wind-Jobs“ am Straßenrand anbiedert und selbst auf vielen Wegen über Wichse und Körperöl eine Überleitung zum nächsten Song geschaffen wird. Nach der ersten halben Stunde ebben die Unterhaltungsmanöver etwas ab und insgesamt tun sich zum Schluss einer Tenacious D-Show immer wieder existenzielle Fragen auf, warum, wieso, wozu?

Um nicht zu spät zu einer Band zu kommen, die sich im Gegensatz dazu komplett (viel zu) ernst nimmt, pendelt eigentlich ausschließlich die Zielgruppe U20 zur Park-Stage, auf der zuvor noch Panic! At The Disco ihre Alternativbeschallung zum Besten gaben, und nun vier digitale Säulen ganz abstrakt das Logo von The 1975 erahnen lassen. Ob diese Masse an Menschen die bedrohlichen Wetteraussichten wegen Matty Healys Sexappeal auf sich nehmen, oder abseits dessen auch die Musik schätzen? Denn eigentlich sollte man genau das nicht tun: Die Pop-Band aus Manchester auf ihren Sänger reduzieren. Auch wenn dessen androgynes Antlitz in weißem Anzug und mit Rosenstrauß in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand doch eher anmaßt, dass ein großer Prozentsatz der Popularität auf Healys Selbstinszenierung zurückzuführen ist. Und als etwas anderes als Ironie ist es wohl kaum abzutun, dass es prompt das Regnen anfängt, als Healy die entsprechende Handbewegung entlang der Textzeile mimt. Die Band kann gerade noch „Change of Heart“ beenden, bevor das Konzert abgebrochen wird, die Instrumente abgedeckt werden und Menschen dem einsetzenden Starkregend entfliehen. Das Gewitter zieht im Vergleich zu Rock am Ring glücklicherweise vorbei, bevor nach circa 30 Minuten Regentänzen und Schlammvoodoo The 1975 mit den Rudimenten ihrer Setlist fortfahren, die sich auf sämtliche Singleauskopplungen von „Girls“, über „Chocolate“ bis „Sex“ beschränkt. Und auch wenn sich über den virtuosen Gehalt der Band streiten lässt, aber der atmosphärische Synthie-Pop wird von Bühnenbild und Subtext von Healys Performance nur pointiert und perfektioniert. Was sich insgesamt paradoxerweise zum persönlichen Höhepunkt des gesamten Festivals meinerseits entwickelt.

Abgerundet wird das Wetter-Tief und Stimmungs-Hoch mit den Architects in der Arena, deren neues Album so sehr zündet wie bisher keines im Jahre 2016. Dass ich mit dieser Meinung nicht alleine bin, zeigt sich daran, dass die Arena bis zum obersten Tribünenrang voll ist. Das runde Albumcover suggeriert wohl schon ganz subtil die Formation eines Circle-Pits, denn die brechen wirklich ausnahmslos in der Halle aus und zwingen einen dazu, sich auf die Tribüne zu begeben, wenn man sein Bier auch wirklich trinken möchte, statt darin zu baden. Wenn man von oben bis unten aber schon durchnässt ist, kann man seine Prioritäten aber auch anders stecken…

Lea Biermann