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SO WAR: SCHLOSSHOF-FESTIVAL 23.08.2014 HÖCHSTADT AISCH, (.rcn präsentierte, u.a. mit Saltatio Mortis, Omnia, Alestorm Coppelius)

2014... Zwei Jahre später stellen wir kurz vor beginn der Sommerfestivals einen reichlich bebilderten Rückblick auf das Schlosshof Festival ins Netz. Damit die Mittelalterfans nicht zu sehr vernachlässigt werden. Stand 16. Juni 2016: Feuertanz ist ausverkauft, Veldenstein gibt es nicht mehr und Schlosshof umso mehr, mittlerweile zweitägig.
SO WAR: SCHLOSSHOF-FESTIVAL 23.08.2014 HÖCHSTADT AISCH, (.rcn präsentierte, u.a. mit Saltatio Mortis, Omnia, Alestorm Coppelius)
Fotos: Bernd Sonntag

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SCHLOSSHOF-FESTIVAL 23.08.2014 HÖCHSTADT

Sommer 2014... Jeden Monat ein „Burg-Festival“, das hat schon etwas. Nach einem tollen Feuertanz und einem beeindruckenden Veldenstein war auch das Schlosshof-Festival absolut einen Besuch wert. Und im Gegensatz zum mittelalterlichen Programm des Feuertanz-Festivals und dem Neuen Deutschen Härte-lastigen Veldenstein gab es beim Schlosshof vier sehr unterschiedliche Bands zu Gehör. Wirklich schade, dass man keine Kombitickets für alle drei fränkischen Veranstaltungen im Radius von ca. 80 km anbietet, denn alle drei sind es wert, besucht zu werden, noch dazu wenn alles musikalisch so gut verteilt ist wie in diesem Jahr.

Leider spielte in Höchstadt im Gegensatz zum letzten Jahr das Wetter nicht so ganz mit, entmutigen ließen sich die Akteure und das Publikum davon aber zum Glück nicht. Und dank dem Saltatio Mortis-Merchandise konnte sich jeder auch noch stylish beschirmen, um einigermaßen trocken zu bleiben. Es hätte aber noch schlimmer kommen können mit dem Regen, trotzdem konnten einem die Marktband Trollfaust und die zwei großartigen Gaukler Lupus und Fabio Espositio schon etwas leid tun, als sie ungeschützt im Regen versuchten, das Publikum zu bespaßen.
Am meisten dürften an diesem Tag wohl Trollfaust gefroren haben. Mit ihrem halbnackten Lumpenoutfit und den Ketten machen sie nicht nur gewaltig etwas her, auch musikalisch erfreuten sie das Publikum zwischen den Umbaupausen und beschallten den kleinen Markt mit eigenen Stücken sowie traditionellem Mittelalterrepertoire. Die Band, die mit ihrem sieben Meter langen mobilen Schlagwerk und Sackpfeifen und Schalmeien bestens ausgestattet ist, ist ein Hingucker und man bleibt gerne stehen und hört ihnen zu.

VROUDENSPIL

Nach der Trollfaust-Eröffnung gab es auf der Bühne dann die erste Band zu hören, Piratenrock mit Vroudenspil war angesagt. Und das mit einer auf der Bühne sitzenden Phyra, die nach ihrer Meniskus OP noch sichtbar behindert ist. Da außerdem Ratz von der Planke nach seinem dreifachen Bandscheibenvorfall mit anschließender Not-OP verständlicherweise noch lange nicht der Alte ist, waren die Piratenrocker auf der Bühne längst nicht so quirlig fröhlich und umtriebig, wie man es von ihnen gewohnt ist. Zum Glück konnte man überhaupt spielen, zuvor mussten erstmals in der neunjährigen Bandgeschichte zwei Konzerte abgesagt werden.
Es wäre auch wirklich zu schade gewesen, auf den Freibeuter-Folkrock verzichten zu müssen. Es macht nämlich selbst mit gesundheitlich angeschlagenen Musikern immer noch mächtig Spaß, Vroundenspil mit Songs wie „Reise nach Tortuga“, „Küss mich“, „Wer Wind sät“, „Dattelschnaps“ und natürlich dem fetzigen „Rum für die Welt“ zu erleben, nicht zu vergessen das Lied über einen der bekanntesten Seeräuber Klaus Störtebeker, das auch als Titelsong der Störtebeker-Festspiele auf Rügen bestens geeignet wäre.

Bestens geeignet, in dem Fall für die Band, ist übrigens die Nachfolgerin von 4-Finger-Jane, die hübsche Zora, die an der Hochschule für Musik und Theater München studiert und eigentlich eher klassische Musik macht. Und die so ganz nebenbei auch noch das Vorurteil, dass alle klassischen Musiker auf der Bühne einen Stock im Arsch haben, Lügen straft. Bei Zora ist kein Stock zu sehen, ganz im Gegenteil. Ein Sonnenschein mit viel Bühnenpräsenz, der auch musikalisch ein echter Gewinn für die Freibeuterbande ist. Die Welt braucht mehr Räubertöchter und weniger Prinzessinnen, kann man in ihrem Facebookprofil lesen, Vroudenspil hat eine dazubekommen und das tut der Band sichtlich gut.

COPPELIUS

Wenn zu Beginn einer Musikshow ein Diener die Bühne betritt, dann kann es sich nur um Coppelius handeln. Der blonde Diener Bastille ist zentrales Element der Bühnenshow der Band aus der Potsdamer Ecke mit seiner sehr eigenwilligen Stimme, die sicher nicht jedermann gefällt, aber einen extrem hohen Wiedererkennungswert hat. Nicht das schlechteste, was einem im Musikbusiness passieren kann. Neben ihm sind die Herren Max Copella, Comte Caspar, Graf Lindorf und Sissy Voss bestens gekleidet, um nicht zu sagen: so elegant wie noch nie.

Und traditionell will auch diesmal der großartige Schlagzeuger Nobusama optisch so gar nicht zu der Truppe passen. Fürs Auge ist Coppelius immer ein Highlight und sie haben mit ihrer wirklich seltenen Instrumentierung mit Klarinette, Cello und Kontrabass statt E-Gitarre und E-Bass schon eine Art Alleinstellungsmerkmal auf den Bühnen dieser Welt geschaffen. Und dazu die Homepage, die fiktiven Identitäten der Herren Coppelius, das alles hat Stil und ist großes Kino einer kreativen Truppe.
Da machen die Fans der Band keine Ausnahme, die auch im Schlosshof mit ihren Seifenblasenmaschinen und Konfettiwürfen mächtig Stimmung machen. Auch wenn die Konfettibrigade, als es darauf ankam, kaum mehr Munition hatte. Das einzige, was dem Kammer-Core aus dem 19. Jahrhundert gut tun würde, wäre etwas mehr Eingängigkeit. Aber vielleicht schafft das Produzent Simon Michael (Subway To Sally), der mit den Jungs gerade am neuen, dann fünften Album, arbeitet. Und so ging es nach der Show auch gleich wieder ab ins Studio und man darf echt gespannt sein, was die fünf Herren aus dem 19. Jahrhundert und ein umtriebiger Oberfranke demnächst auf uns loslassen werden.

OMNIA

Ein ganz neues Gesicht hatte auch die Pagan Folk-Band Omnia nach Höchstadt an der Aisch mitgebracht. Satrya Karsono ist der neue Gitarrist und er tut der Musik von Steve, Jenny, Digeridoospieler Daphyd und Schlagzeuger Rob sichtlich gut. Mit ihm an der Gitarre kommt der Sound einfach noch deutlich besser rüber, wirkt dynamischer und satter. Und so ganz nebenbei ist der nette Holländer auch ein echtes Schnuggelchen für die Damen im Publikum und vielleicht auch für manchen Herren. Und er fühlt sich auch sichtlich wohl bei den lustigen Niederländern, die so einzigartig im Musikbusiness mit der Art Musik, die sie machen, sind.

Eigentlich kann man nur jedem raten, sich das einmal live anzuhören, denn so schön wie die CDs sind, live ist das Ganze einfach noch um vieles beeindruckender. Und wie bei jedem Auftritt ist die Setlist mit vielen Songs wie „I Don’t Speak Human“, „Alive“, „Earth Warrior“, „Crazy Man“ (in einer besonders geilen Version diesmal) „Dance Until We Die“, „Noodle Poodle“ und dem wunderschönen „Etrezomp-Ni Kelted“ richtig klasse, aber die Liste an Liedern, die man hätte noch unbedingt spielen müssen, wie z.B. das großartige Edgar Allen Poe-Gedicht „The Raven“ und „The Morrigan“ mindestens gleich lang.

Und genauso gut drauf wie Omnia war das Publikum, das trotz Regen und Wind begeistert mitfeierte und sich auch vom immer stärkeren Regen nicht vertreiben ließ. Und das damit der extrem fannahen Band ein ganz dickes Kompliment machte. Das gehörte sicher zu den schönsten Momenten an dem Tag, der unschöne folgte beim Abbau, als Steve seine sündhaft teuere Bouzouki schrottete und zwar leider richtig. Totalschaden sozusagen und das ohne Versicherung, wie beim Auto. Entsprechend geknickt war der Frontmann der Band und brauchte selbst erstmal viel Trost, so dass untypisch für die fannahe Band die Autogrammjäger ihn verständlicherweise erst einmal nicht gleich nach dem Konzert zu Gesicht bekamen.

ALESTORM

Die gute Laune-Metalkombo Alestorm war dann das totale Kontrastprogramm zum akustischen Pagan Folk von Omnia. Das Anfang August veröffentlichte „Sunset On The Golden Age“ ist bereits ihr viertes Album, somit war das Schlosshof-Spektakel für die 5 Musiker und Captain Morgan, den man der Einfachheit halber gleich mit auf die Bühne gebracht hat, auch so etwas wie ein Release-Konzert. Und so gab es ganz piratentypisch erst mal einen kräftigen Schluck aus der Bottle, dem im Laufe des Konzerts noch einige weitere folgten. Und wer jetzt glaubt, dass selbst ganz kleine Schotten immun gegen Hochprozentiges sind, den kann ich beruhigen. Auch bei Alestorm gehen irgendwann die Lichter an und die leuchteten nachts dann kräftig, sehr zur Freude der Fans, die mit dem kuscheligen Sänger viel Spaß hatten.

Als Battleheart 2004 im schottischen (nicht australischen!) Perth gegründet, haben die Pikten-Nachfahren (genau die vom neuen Asterix) besonders am Power Metal á la Korpiklaani ihren Spaß, den man geschickt mit Piratenmucke kombiniert und den sie selbst gerne als True Scottish Pirate Metal bezeichnen. Und so beschäftigen die Texte sich vielfach mit Piraten, während in der Musik neben Power und Folk Metal auch hymnische Passagen mit Mitgrölfaktor Verwendung finden.

Und gerade die Fans lauterer Klänge hatten besonders ihren Spaß mit Songs wie „Walk The Plank“, „The Sunk’n Norwegian“, „Over The Seas“, „Shipwrecked“, „Drink“, „Pirate Song“ und „Back Through Time“, die ersten Songs des Sets. Und selbst wer nicht so auf Metal steht, konnte sicher dem großartigen „Wolves Of The Sea“ etwas abgewinnen. Übrigens ein Cover eines Eurovision Song Contest-Beitrags aus Lettland und echt unglaublich, wie aus einer faden Nummer ein klasse Song werden kann. Zum Abschluss besuchte Sänger Christopher Bowes stagedivend das Publikum und wollte eigentlich noch gar nicht aufhören mit dem Spielen und Singen.

SALTATIO MORTIS

Aber der Headliner des Tages Saltatio Mortis stand an und als das Intro verklungen war und SaMo mit dem sozialkritischen „Früher war alles besser“ und dem Song „Idol“ den Gig eröffneten, gab es kaum mehr ein Durchkommen, hatte sich doch alles im Schlosshof versammelt, um die Show einer der populärsten Mittelalterbands überhaupt live mitzuerleben. Und nach seinem kurzen Gastauftritt bei Omnia stand Sänger Alea sofort im Mittelpunkt und beeindruckte einmal mehr mit seiner Beweglichkeit und Fitness. Springen und toben und dabei singen – für den topfitten Sänger absolut keine Herausforderung, da zahlt sich das Training des Vollkontakt-Kämpfers definitiv aus.

Und so sind es neben einem charismatischen Sänger und einer eingespielten Band um Falk Irmenfried von Hasen-Mümmelstein und Drummer Lasterbalk der Lästerliche vor allem auch die klugen und durchaus originellen Texte, die nicht nur zum Mitsingen, sondern auch Nachdenken anregen und viel zum Popularitätsschub der Band beigetragen haben. Und bis heute schafft es das kreative Pack, mittelalterliche Klänge mit der Musik der heutigen Zeit so gekonnt zu mixen, dass man nicht nur immer mehr Fans gewinnt, sondern sich auch sehr positiv von anderen Bands abgrenzt. Nicht zu vergessen das Showtalent der Truppe, bei der man nie genau weiß, was einen erwartet, sehenswert ist es aber immer und das fängt schon im Kleinen an, wie z.B. die außergewöhnlichen Mikrofonständer, die man nach Höchstadt mitgebracht hat. Und auch die Setlist mit Songs wie „Prometheus“, „Uns gehört die Welt“, „Eulenspiegel“, „Koma“, „Der Kuss“, „Spielmannschwur“ und „Tritt ein“ sorgte für beste Stimmung im Publikum.

Klasse, dass man in der Setlist auch Platz für den Song „Wachstum über alles“ gefunden hat. Ein Lied, das sich kritisch mit dem Wahnsinn der Wohlstandsmaschine Wachstum ohne Rücksicht auf Mensch und Natur auseinandersetzt und musikalisch das Lied der Deutschen zitiert. Und SaMo packt damit ein Thema an, das eigentlich keine Lobby hat, wachstumskritische Gedanken finden in unserer Welt leider kaum Gehör. Schön, dass es dann Bands wie SaMo oder Omnia gibt, die bewusst Finger in Wunden legen, den Mut haben, auch Unbequemes anzusprechen und nicht müde sind, für eine bessere Welt zu kämpfen, wissend, dass schon ein anderer den Kampf gegen Windmühlen nicht gewinnen konnte. Etwas, das dieses einmal mehr geniale Schlosshof-Festival noch ein klein bisschen wertvoller macht, wenn bei jedem ein klein wenig davon im Kopf angekommen ist.

Text und Fotos: Bernd Sonntag