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SCHLOSSHOF-FESTIVAL 23.08.2014
HÖCHSTADT
Sommer 2014... Jeden Monat ein „Burg-Festival“, das hat schon
etwas. Nach einem tollen Feuertanz und einem beeindruckenden
Veldenstein war auch das Schlosshof-Festival absolut einen
Besuch wert. Und im Gegensatz zum mittelalterlichen Programm
des Feuertanz-Festivals und dem Neuen Deutschen Härte-lastigen
Veldenstein gab es beim Schlosshof vier sehr unterschiedliche
Bands zu Gehör. Wirklich schade, dass man keine Kombitickets
für alle drei fränkischen Veranstaltungen im Radius von ca. 80
km anbietet, denn alle drei sind es wert, besucht zu werden,
noch dazu wenn alles musikalisch so gut verteilt ist wie in
diesem Jahr.
Leider spielte in Höchstadt im Gegensatz zum letzten Jahr das
Wetter nicht so ganz mit, entmutigen ließen sich die Akteure
und das Publikum davon aber zum Glück nicht. Und dank dem
Saltatio Mortis-Merchandise konnte sich jeder auch noch stylish
beschirmen, um einigermaßen trocken zu bleiben. Es hätte aber
noch schlimmer kommen können mit dem Regen, trotzdem konnten
einem die Marktband Trollfaust und die zwei großartigen Gaukler
Lupus und Fabio Espositio schon etwas leid tun, als sie
ungeschützt im Regen versuchten, das Publikum zu
bespaßen.
Am meisten dürften an diesem Tag wohl Trollfaust gefroren
haben. Mit ihrem halbnackten Lumpenoutfit und den Ketten machen
sie nicht nur gewaltig etwas her, auch musikalisch erfreuten
sie das Publikum zwischen den Umbaupausen und beschallten den
kleinen Markt mit eigenen Stücken sowie traditionellem
Mittelalterrepertoire. Die Band, die mit ihrem sieben Meter
langen mobilen Schlagwerk und Sackpfeifen und Schalmeien
bestens ausgestattet ist, ist ein Hingucker und man bleibt
gerne stehen und hört ihnen zu.
VROUDENSPIL
Nach der Trollfaust-Eröffnung gab es auf der Bühne dann die
erste Band zu hören, Piratenrock mit Vroudenspil war angesagt.
Und das mit einer auf der Bühne sitzenden Phyra, die nach ihrer
Meniskus OP noch sichtbar behindert ist. Da außerdem Ratz von
der Planke nach seinem dreifachen Bandscheibenvorfall mit
anschließender Not-OP verständlicherweise noch lange nicht der
Alte ist, waren die Piratenrocker auf der Bühne längst nicht so
quirlig fröhlich und umtriebig, wie man es von ihnen gewohnt
ist. Zum Glück konnte man überhaupt spielen, zuvor mussten
erstmals in der neunjährigen Bandgeschichte zwei Konzerte
abgesagt werden.
Es wäre auch wirklich zu schade gewesen, auf den
Freibeuter-Folkrock verzichten zu müssen. Es macht nämlich
selbst mit gesundheitlich angeschlagenen Musikern immer noch
mächtig Spaß, Vroundenspil mit Songs wie „Reise nach Tortuga“,
„Küss mich“, „Wer Wind sät“, „Dattelschnaps“ und natürlich dem
fetzigen „Rum für die Welt“ zu erleben, nicht zu vergessen das
Lied über einen der bekanntesten Seeräuber Klaus Störtebeker,
das auch als Titelsong der Störtebeker-Festspiele auf Rügen
bestens geeignet wäre.
Bestens geeignet, in dem Fall für die Band, ist übrigens die
Nachfolgerin von 4-Finger-Jane, die hübsche Zora, die an der
Hochschule für Musik und Theater München studiert und
eigentlich eher klassische Musik macht. Und die so ganz
nebenbei auch noch das Vorurteil, dass alle klassischen Musiker
auf der Bühne einen Stock im Arsch haben, Lügen straft. Bei
Zora ist kein Stock zu sehen, ganz im Gegenteil. Ein
Sonnenschein mit viel Bühnenpräsenz, der auch musikalisch ein
echter Gewinn für die Freibeuterbande ist. Die Welt braucht
mehr Räubertöchter und weniger Prinzessinnen, kann man in ihrem
Facebookprofil lesen, Vroudenspil hat eine dazubekommen und das
tut der Band sichtlich gut.
COPPELIUS
Wenn zu Beginn einer Musikshow ein Diener die Bühne betritt,
dann kann es sich nur um Coppelius handeln. Der blonde Diener
Bastille ist zentrales Element der Bühnenshow der Band aus der
Potsdamer Ecke mit seiner sehr eigenwilligen Stimme, die sicher
nicht jedermann gefällt, aber einen extrem hohen
Wiedererkennungswert hat. Nicht das schlechteste, was einem im
Musikbusiness passieren kann. Neben ihm sind die Herren Max
Copella, Comte Caspar, Graf Lindorf und Sissy Voss bestens
gekleidet, um nicht zu sagen: so elegant wie noch nie.
Und traditionell will auch diesmal der großartige Schlagzeuger
Nobusama optisch so gar nicht zu der Truppe passen. Fürs Auge
ist Coppelius immer ein Highlight und sie haben mit ihrer
wirklich seltenen Instrumentierung mit Klarinette, Cello und
Kontrabass statt E-Gitarre und E-Bass schon eine Art
Alleinstellungsmerkmal auf den Bühnen dieser Welt geschaffen.
Und dazu die Homepage, die fiktiven Identitäten der Herren
Coppelius, das alles hat Stil und ist großes Kino einer
kreativen Truppe.
Da machen die Fans der Band keine Ausnahme, die auch im
Schlosshof mit ihren Seifenblasenmaschinen und Konfettiwürfen
mächtig Stimmung machen. Auch wenn die Konfettibrigade, als es
darauf ankam, kaum mehr Munition hatte. Das einzige, was dem
Kammer-Core aus dem 19. Jahrhundert gut tun würde, wäre etwas
mehr Eingängigkeit. Aber vielleicht schafft das Produzent Simon
Michael (Subway To Sally), der mit den Jungs gerade am neuen,
dann fünften Album, arbeitet. Und so ging es nach der Show auch
gleich wieder ab ins Studio und man darf echt gespannt sein,
was die fünf Herren aus dem 19. Jahrhundert und ein umtriebiger
Oberfranke demnächst auf uns loslassen werden.
OMNIA
Ein ganz neues Gesicht hatte auch die Pagan Folk-Band Omnia
nach Höchstadt an der Aisch mitgebracht. Satrya Karsono ist der
neue Gitarrist und er tut der Musik von Steve, Jenny,
Digeridoospieler Daphyd und Schlagzeuger Rob sichtlich gut. Mit
ihm an der Gitarre kommt der Sound einfach noch deutlich besser
rüber, wirkt dynamischer und satter. Und so ganz nebenbei ist
der nette Holländer auch ein echtes Schnuggelchen für die Damen
im Publikum und vielleicht auch für manchen Herren. Und er
fühlt sich auch sichtlich wohl bei den lustigen Niederländern,
die so einzigartig im Musikbusiness mit der Art Musik, die sie
machen, sind.
Eigentlich kann man nur jedem raten, sich das einmal live
anzuhören, denn so schön wie die CDs sind, live ist das Ganze
einfach noch um vieles beeindruckender. Und wie bei jedem
Auftritt ist die Setlist mit vielen Songs wie „I Don’t Speak
Human“, „Alive“, „Earth Warrior“, „Crazy Man“ (in einer
besonders geilen Version diesmal) „Dance Until We Die“, „Noodle
Poodle“ und dem wunderschönen „Etrezomp-Ni Kelted“ richtig
klasse, aber die Liste an Liedern, die man hätte noch unbedingt
spielen müssen, wie z.B. das großartige Edgar Allen Poe-Gedicht
„The Raven“ und „The Morrigan“ mindestens gleich lang.
Und genauso gut drauf wie Omnia war das Publikum, das trotz
Regen und Wind begeistert mitfeierte und sich auch vom immer
stärkeren Regen nicht vertreiben ließ. Und das damit der extrem
fannahen Band ein ganz dickes Kompliment machte. Das gehörte
sicher zu den schönsten Momenten an dem Tag, der unschöne
folgte beim Abbau, als Steve seine sündhaft teuere Bouzouki
schrottete und zwar leider richtig. Totalschaden sozusagen und
das ohne Versicherung, wie beim Auto. Entsprechend geknickt war
der Frontmann der Band und brauchte selbst erstmal viel Trost,
so dass untypisch für die fannahe Band die Autogrammjäger ihn
verständlicherweise erst einmal nicht gleich nach dem Konzert
zu Gesicht bekamen.
ALESTORM
Die gute Laune-Metalkombo Alestorm war dann das totale
Kontrastprogramm zum akustischen Pagan Folk von Omnia. Das
Anfang August veröffentlichte „Sunset On The Golden Age“ ist
bereits ihr viertes Album, somit war das Schlosshof-Spektakel
für die 5 Musiker und Captain Morgan, den man der Einfachheit
halber gleich mit auf die Bühne gebracht hat, auch so etwas wie
ein Release-Konzert. Und so gab es ganz piratentypisch erst mal
einen kräftigen Schluck aus der Bottle, dem im Laufe des
Konzerts noch einige weitere folgten. Und wer jetzt glaubt,
dass selbst ganz kleine Schotten immun gegen Hochprozentiges
sind, den kann ich beruhigen. Auch bei Alestorm gehen
irgendwann die Lichter an und die leuchteten nachts dann
kräftig, sehr zur Freude der Fans, die mit dem kuscheligen
Sänger viel Spaß hatten.
Als Battleheart 2004 im schottischen (nicht australischen!)
Perth gegründet, haben die Pikten-Nachfahren (genau die vom
neuen Asterix) besonders am Power Metal á la Korpiklaani ihren
Spaß, den man geschickt mit Piratenmucke kombiniert und den sie
selbst gerne als True Scottish Pirate Metal bezeichnen. Und so
beschäftigen die Texte sich vielfach mit Piraten, während in
der Musik neben Power und Folk Metal auch hymnische Passagen
mit Mitgrölfaktor Verwendung finden.
Und gerade die Fans lauterer Klänge hatten besonders ihren
Spaß mit Songs wie „Walk The Plank“, „The Sunk’n Norwegian“,
„Over The Seas“, „Shipwrecked“, „Drink“, „Pirate Song“ und
„Back Through Time“, die ersten Songs des Sets. Und selbst wer
nicht so auf Metal steht, konnte sicher dem großartigen „Wolves
Of The Sea“ etwas abgewinnen. Übrigens ein Cover eines
Eurovision Song Contest-Beitrags aus Lettland und echt
unglaublich, wie aus einer faden Nummer ein klasse Song werden
kann. Zum Abschluss besuchte Sänger Christopher Bowes
stagedivend das Publikum und wollte eigentlich noch gar nicht
aufhören mit dem Spielen und Singen.
SALTATIO MORTIS
Aber der Headliner des Tages Saltatio Mortis stand an und als
das Intro verklungen war und SaMo mit dem sozialkritischen
„Früher war alles besser“ und dem Song „Idol“ den Gig
eröffneten, gab es kaum mehr ein Durchkommen, hatte sich doch
alles im Schlosshof versammelt, um die Show einer der
populärsten Mittelalterbands überhaupt live mitzuerleben. Und
nach seinem kurzen Gastauftritt bei Omnia stand Sänger Alea
sofort im Mittelpunkt und beeindruckte einmal mehr mit seiner
Beweglichkeit und Fitness. Springen und toben und dabei singen
– für den topfitten Sänger absolut keine Herausforderung, da
zahlt sich das Training des Vollkontakt-Kämpfers definitiv
aus.
Und so sind es neben einem charismatischen Sänger und einer
eingespielten Band um Falk Irmenfried von Hasen-Mümmelstein und
Drummer Lasterbalk der Lästerliche vor allem auch die klugen
und durchaus originellen Texte, die nicht nur zum Mitsingen,
sondern auch Nachdenken anregen und viel zum Popularitätsschub
der Band beigetragen haben. Und bis heute schafft es das
kreative Pack, mittelalterliche Klänge mit der Musik der
heutigen Zeit so gekonnt zu mixen, dass man nicht nur immer
mehr Fans gewinnt, sondern sich auch sehr positiv von anderen
Bands abgrenzt. Nicht zu vergessen das Showtalent der Truppe,
bei der man nie genau weiß, was einen erwartet, sehenswert ist
es aber immer und das fängt schon im Kleinen an, wie z.B. die
außergewöhnlichen Mikrofonständer, die man nach Höchstadt
mitgebracht hat. Und auch die Setlist mit Songs wie
„Prometheus“, „Uns gehört die Welt“, „Eulenspiegel“, „Koma“,
„Der Kuss“, „Spielmannschwur“ und „Tritt ein“ sorgte für beste
Stimmung im Publikum.
Klasse, dass man in der Setlist auch Platz für den Song
„Wachstum über alles“ gefunden hat. Ein Lied, das sich kritisch
mit dem Wahnsinn der Wohlstandsmaschine Wachstum ohne Rücksicht
auf Mensch und Natur auseinandersetzt und musikalisch das Lied
der Deutschen zitiert. Und SaMo packt damit ein Thema an, das
eigentlich keine Lobby hat, wachstumskritische Gedanken finden
in unserer Welt leider kaum Gehör. Schön, dass es dann Bands
wie SaMo oder Omnia gibt, die bewusst Finger in Wunden legen,
den Mut haben, auch Unbequemes anzusprechen und nicht müde
sind, für eine bessere Welt zu kämpfen, wissend, dass schon ein
anderer den Kampf gegen Windmühlen nicht gewinnen konnte.
Etwas, das dieses einmal mehr geniale Schlosshof-Festival noch
ein klein bisschen wertvoller macht, wenn bei jedem ein klein
wenig davon im Kopf angekommen ist.
Text und Fotos: Bernd Sonntag