MEDIEVAL-POP
LETZTE INSTANZ
LIEBE IM KRIEG
AFM / SOULFOOD
Viele Musikjournalisten beschreiben den aktuellen Trend beim
Mittelalterrock mit „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff“.
Ich halte diese Formulierung für unglücklich, mit der man die
Loslösung vom Dudelsackgetröte der etablierten Bands zu
beschreiben versucht. Meine Version: Die Flut ist vorbei, die
Arche Noah liegt auf trockenem Boden und nun schwärmen die
Schandmauls, In Extremos oder Saltatio Mortis dieser Welt aus,
um ihre eigenen Familien zu gründen. Bei der letzten Instanz
passt das Textzitat vom Song 6, „Reise“: „Ich mache mich auf
die Reise, dem Horizont im Blick. Ich wünsche dir ein gutes
Leben, ich komm’ als Stern zurück.“ Vom einstigen
Poesie-Mittelalter-Metal-Folk – vielleicht am ehesten der
Subway To Sally-Fraktion zuzuordnen – geht es nun endgültig in
Richtung Chartspop. Und zwar als einer der potentiellen
Ersatzmöglichkeiten für die Unheilig-Fraktion, deren Meister
gerade seine x-te wirklich-die-allerletzte-Abschiedstournee
etwas an die Wand fährt. Fast könnte man meinen, die Letzte
Instanz passt sich mit Pathosballaden wie „Wir sind eins“ oder
„Weite Welt“ dem Biedermann-Radiomainstream an, Fernziel
ZDF-Fernsehgarten. Doch da finden sich aber auch ganz starke
Deutschrockstücke wie „Das Gerücht“ (im Wirtz-Stil), „Tränen
aus Stein“ und der Titelsong, die beide eigentlich alle Stärken
der Band in sich vereinen: Cello und Violine im Hintergrund,
Rockgitarre und treibender Schlagzeuggroove. Dazu die
unaufdringliche Stimme von Sänger Holly. Produzent Markus
Schlichtherle, der so unterschiedliche deutsche Bands wie
Callejon, Juli oder Polarkreis 18 zu ansehnlichen
Veröffentlichungen verhalf, hat hier das abgeliefert, was der
Band mit etwas Glück zu neuen Hörerschichten verhelfen könnte.
Ich drück der Band gerührt, aber nicht geschüttelt die Daumen.
6 von 9 Punkten
Ewald Funk