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LANGVERSION ARTIKEL: TAUBERTAL FESTIVAL 2012, INTERVIEW MIT VERANSTALTER VOLKER HIRSCH

Das Taubertal Festival 2012 war ein voller Erfolg. Die Sonne hat geschienen, man hat sich vor aller Augen und unter nächtlichen Himmel für die freie Liebe eingesetzt, die Bands waren gut aufgelegt und sieht man einmal von einem bösen Unfall ab, konnten die rund 17.500 Besucher wieder heil und froh nach Hause gehen. Unser interessantes Interview in voller Länge mit dem Cheffe vom Festival und vielen Details als Rückblick jetzt online.
LANGVERSION ARTIKEL: TAUBERTAL FESTIVAL 2012, INTERVIEW MIT VERANSTALTER VOLKER HIRSCH
Endlich preis abgestaubt: Volker Hirsch
bei der LEA-Verleihung 2012

Was für die einen nur drei sehr coole Tage lang dauert, das dauert für die anderen fast das ganze Jahr. Was für die anderen pures Vergnügen ist, das ist für die einen harte Arbeit. Wie es hinter den Kulissen eines großen Festivals zugeht, dass können sich die meisten nicht Eingeweihten wohl eher nur vage vorstellen.  Es geht nicht nur darum die guten Bands für seinen Spielplan zu bekommen, sie auch noch am gewünschten Tag zu bekommen (!), oder ein paar Bauzäune um eine grüne Wiese zu stellen, nein, es geht um viel mehr als das. Hürden und Probleme von Gesetzen bis zur Müllentsorgung müssen bedacht werden und nicht zu letzt ja das Wohlergehen und die Sicherheit der Besucher. RCN hatte am dritten Tag des Festivals die Gelegenheit mit dem Veranstalter Volker Hirsch zu sprechen: über lästige Auflagen des Staates Bayern, viele tolle und freiwillige Helfer und das Programm. Natürlich wurde auch nach dem verunglückten Kletterkünstler vom Donnerstag gefragt, der sich – Gott sei dank – auf dem Weg der Besserung befand.

RCN: Was waren so deine Höhepunkte bisher?

Volker: Ich fand „Bush“ aus meiner Sicht wahnsinnig gut. Ich fand auch „Placebo“ recht gut, recht professionell, also hab ich auf jeden Fall genossen. „Skindred“ fand ich wieder mal sehr, sehr gut. Leider waren zu der Zeit noch nicht so viele Leute da. Ich fand, dass „H-Blockx“ einen überraschend guten Auftritt abgeliefert haben, - was heißt überraschend, die sind ja immer ein Garant, aber da hat halt die Chemie gepasst. Ich hab sie mir vor zwei Jahre auf Rock im Park angeschaut und fand sie da ein bisschen belangloser, aber das lag vielleicht nicht unbedingt an der Band, sondern eher an der Chemie von Publikum und Band.
„Madsen“ war überraschend richtig, richtig genial ...überraschend ist immer so aberwertend ne? (lacht)

RCN: Vielleicht kann man da dann auch sagen, dass es einfach eine Spur  über dem Normalgig war. Das es eben ein ganz besonderer Gig war, also das ging mir schon auch so.

Volker: Also „Kraftklub“ war natürlich Wahnsinn hinten auf der zweiten Bühne! Was ich als Auftakt schon mal  ganz, ganz genial fand - das komplette Steinbruchprogramm am Donnerstag war natürlich gut -  „5Bugs“ war eine gute Show, „Moop Mama“ war ein Hammer und wurde dann durch „Hoffmaestro“ noch zwei mal überboten. Das fand ich sensationell was da oben passiert ist.

RCN: Sichtwort „Kraftclub“: Wir haben dich gesehen, wie du dir den Gig von dem Hügelchen, von der Wiese gegeben hast. Wurdest du da oben samt Kindern Zeuge dieses kleinen Techtelmechtels?

Volker: Ach, das hat man von unten alles gesehen?

RCN: Also ich kann zumindest nicht dementieren, dass da oben nichts gelaufen ist, die ganze Ecke Publikum darunter hat die beiden beim Poppen angefeuert, die Band hat nix mitbekommen. (lacht)

Volker: OK. Das peinlichste an der Nummer ist, das mein elfjähriger Sohn vorne weg gelaufen ist und dann so innerhalb von fünf Minuten das ganze Leben kennen gelernt hat...

RCN: Nennen wir es einfach mal das „Festival der Liebe“ und vielleicht auch eine kleine Ablenkung für die Geschichte mit dem Steinbruch. Wie viele Barrieren  musste der Typ überwinden um so einen Schwachsinn zu machen, wie dort runterzufallen?

Volker: Zwei Zäune und einen regulären Maschendrahtzaun, der dürfte 1,80 m hoch sein. Wir haben aber noch einen speziellen Sicherheitszaun, das ist ein engmaschiger Bauzaun, der mit Inbusschrauben verschraubt ist. Der ist 2,50 hoch.

RCN: Wie geht’s dem jetzt?

Volker: Der ist überm Berg, den Umständen entsprechend. Es sind schon eher schwerwiegende Verletzungen und vor allem langwierige Verletzungen. Im Moment ist davon auszugehen, dass er keine Querschnittlähmung davon trägt. Was da innerlich alles noch Zeit braucht und nicht mehr so funktioniert, wird die Zeit zeigen.

RCN: Was war bei „Boysetsfire“? Die hatten nämlich auch eine lange Pause drin.

Volker: Das habe ich nicht so richtig mitbekommen. Also da war ich auch nicht hinten. Es war definitiv nichts was mit unserer Technik oder mit uns, mit dem Festival zu tun hatte. Es wird wohl, wenn es ein Problem war, ein internes Problem der Band gewesen sein.

RCN: Wie hoch waren jetzt die offiziellen Zuschauerzahlen?

Volker: Wir haben pro Tag 10.300 Besucher, round about. Sprich für uns haben ganz am Schluss tatsächlich 200 Besucher gefehlt. Alles in Allem waren es 17.500 Besucher, bedingt durch den Wechsel der Tagesbesucher.

RCN: Du hast vor allem immer ein gegensätzliches Problem. Du brauchst Bands die auf dem Billing gut funktionieren, die eine gute Show abliefern aber auf der anderen Seite muss man dann immer auch etwas gucken, dass man jeden Tag thematisch anlegt. Wie würdest du den ersten und den zweiten Tag nennen?

Volker: Na ja gut, aber das ist eher ein Mythos, dass das immer noch so ist.

Früher hat es immer geheißen auf dem Taubertal gibt’s den „Schwarzen Freitag“, da haben dann die ganzen Mittelalterbands gespielt.

Mittlerweile kann man sich das gar nicht mehr erlauben, weil zu viele Festivals an dem Tag sind und du kriegst es nicht hin. Meine grundsätzliche Ausrichtung ist sicherlich, dass ich den zugkräftigsten und zugleich besten Liveact immer versuchen werde auf den Sonntag zu bringen. Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, dass der Festivalbesucher vom Festival mit dem bestmöglichsten Eindruck weg geht.  
Das ist das Eine. Dann versuche ich immer, dass ich partykompatible Acts grundsätzlich auf den Samstag bringe, so wie „Pendulum“ letztes Jahr, das war dafür die ideal Besetzung natürlich.

Und Freitag wird halt mit dem Besetzt was noch zu kriegen ist. Da kommt dann meistens noch alles andere. Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass unserer größter Headliner nächstes Jahr wohl eher am Freitag spielen wird.

RCN: Wenn du jetzt mal wirklich deine Traumacts hättest würdest du auch einmal einen Donnerstag aufmachen, nur das die spielen könnten?

Volker: Naja,....für „Muse“ würde ich das machen. (lacht)

Ich würde es zumindest versuchen, ob man das dann genehmigt kriegt ist die zweite Frage.

RCN: Hat sich auch in dem Jahr die Zeit die du investiert hast, die Nerven, die familiären Einschränkungen die du dadurch erlitten hast gelohnt?

Volker: Ich sage mal jetzt: man muss sich mehr motivieren wie am Anfang noch. Man stellt auch mehr in Frage mit zunehmenden Alter und die Zeit allgemein ist auch schwieriger geworden, der Kampf wird größer, von allen Seiten. Man muss sich mehr und mehr behaupten als eigenständiges Festival zwischen diesen ganzen Mega-Tourneen und Festivalveranstaltern überhaupt ein vernünftiges Programm zu kriegen. Man muss sich da gegen gewisse Gebietsschutzvereinbarungen und viel, viel Geld wehren, das ist das eine.
Das andere ist aber auch, dass wir von Behördenseite, -aber im weitesten Sinne, das hat nichts mit den hiesigen Behörden zu tun, die unterstützen uns nach besten Möglichkeiten - immer mehr Auflagen bekommen, immer noch weiterführende Gesetzte ect., ect., ect. Die machen’s immer schwieriger. Dann so Themen wie GEMA natürlich. Die allgemeine Wertschöpfungskette, - auch nicht direkt von den Künstlern - sondern von allem was dran hängt wird immer mehr auf den Livebereich geschoben, deshalb wird es da auch immer schwieriger. Was auch noch mit dazu kommt, das hat man ja in der Festival Saison heuer gesehen, wir hatten heuer wahnsinniges Glück mit dem Wetter, aber das wird sicherlich auch ein immer größerer Faktor.

RCN: Nenne doch mal zwei Beispiele von Auflagen die besonders hart für euch sind, die besonders weh tun.

Volker: Wir kämpfen gerade gegen ein Gesetzt, das ist ein rein bayerisches Gesetz, da geht es darum, dass die rettungsdienstliche Vorhaltung, also sprich, das hat nichts mit dem Sanitätsdienst zu tun, sondern das hat damit zu tun, das in einer Kleinstadt wie wir es sind für die allgemeine Bevölkerung und für uns hier, ein Krankenwagen nicht ausreicht, da wird ein zweiter dazu gestellt. Die Entscheidung ob der nötig ist treffen andere, gleichzeitig gibt es aber ein Monopol darauf wer den zu stellen hat. Zum dritten, was der Oberhammer an der ganzen Geschichte ist, das die ja auch quasi abrechenbare Fahrten mit dem Ganzen haben und das wird gegen gerechnet. Also man wird letztendlich an den Vorhaltungskosten beteiligt. Wenn sich die eine goldene Nase verdienen, letztendlich mit den Fahrten, dann wir das mit von den Kostenstrukturen abgezogen. Das ist ein Gesetz, das es nur in Bayern gibt, was nur kommerzielle Veranstalter betrifft, also alle Vereine sind ausgenommen. Da muss ich sagen, klar muss man Vereine grundsätzlich unterstützen und schützen wo es geht, aber wenn man dann eh schon der Steuerzahler ist der überall an die Wand genagelt wird als kommerzieller Veranstalter, dem auch noch so ein Gesetz überzustülpen, das nur für Bayern gilt, das ist natürlich mega ungerecht.

Das ist so das eine.

Das andere ist sicherlich auch die Situation, das es offensichtlich nicht mehr möglich ist ganz normal eine GEMA Meldung abzugeben, sondern man braucht mittlerweile immer einen Anwalt dazu weil man da ja versucht, für die Urheber letztendlich versucht, da noch mal ganz andere Sachen raus zu nehmen. Das es da ein Tarifwerk gibt, das den Unterschied nicht wirklich kennt zwischen einem Festival, wo ich auf einer grünen Wiese Kilometer von Bauzaun aufstellen muss, Tonnen von Müll entsorgen muss und eine Infrastruktur erschaffen, und ich sag mal, dem „Peter Maffay“ Konzert in der Arena Nürnberg. Da gibt’s jetzt nicht wirklich einen tariflichen Unterschied. Da bedient man sich mit der Gebühr, meines Erachtens, an Kosten die gar nichts mit dem Konzert und Eintritt zu tun haben, sondern dazu da sind, um logistische Kosten zu decken. Das ist schreiende Ungerechtigkeit meines Erachtens.

RCN: es fällt auf, dass es auf dem Gelände nicht unbedingt so aussieht als hätten hier gerade zwei Tage Festival stattgefunden. Das ist etwas was nicht gerade in den Medien erwähnt wird. Würde dir das gut gefallen wenn solche Details auch einmal lobend erwähnt würden?

Volker: Ja natürlich. Wobei es nicht um die Selbstbeweihräucherung geht, sondern mir geht eigentlich mehr darum das die Tatsache so ist. Vor allem das Publikum, denn ohne das Publikum wäre das so auch nicht möglich. Ich meine, klar sind auch im großen Maße unsere Helfer vom Umweltteam an der Nummer beteiligt, die machen auch einen sehr guten Job. Dadurch werden natürlich die Leute auch ein bisschen sensibilisiert. Die Meisten die ein etwas in der Birne haben, die schmeißen jetzt ihren Dreck auch nicht hinter den der’s gerade aufgehoben hat. Es ist kein Phänomen, aber es ist festzuhalten, dass man da wo es eh schon dreckig ist, halt gern noch mal drauf müllt. Genau da wollen wir entgegenwirken. Das sind wir aber auch dem Veranstaltungsort quasi schuldig.

Ein gepflastertes Messegelände kannst du nach fünf Tagen ordentlich aufräumen und so lange kannste es auch zumüllen. Auf dem Platz wo wir sind gehört sich das nicht und es ist auch nicht gut für diesen Platz.

RCN: Erstmalig habt ihr das „Green Camping“ gemacht. Das ist ein Platz wo sich die Leute sammeln die gerne mal ein bisschen ruhiger campen wollen, das heißt keine Partys Nachts. Gibt’s da schon Erfahrungswerte?

Volker: Das Konzept ist voll aufgegangen. Wir wollten eigentlich zwei Sachen erreichen. Wir wollten nicht zu groß reglementieren darum gibt es auch keine klare Liste was dahinten nicht erlaubt ist, wir sind auf einem Festival. Wir wollen sensibilisieren und wir wollen eigentlich allen denen das wichtiger ist nicht auf einer Müllhalde zu zelten und vielleicht ein paar Stunden Schlaf zu kriegen, eine Anlaufstelle bieten und die bieten wir an dem Ort der am schützenswertesten ist. So schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe und das ist gut aufgegangen. Wir hatten da unten heuer sehr vernünftige Leute, es war sehr ruhig und wir mussten jetzt da nicht mit groß mit – oh jetzt haben wir schon zwei Uhr und noch 34 Dezibel, sondern wir haben einfach gesagt: Leute haltet euch ein bisschen dran, müllt nicht alles zu. Und daran haben sie sich gehalten. Von daher ist das Konzept auch aufgegangen.

RCN: Was wünscht sich ein Volker Hirsch zu Weihnachten?

Volker: (lacht) Das ist eine gute Frage. Ähm, aufs Festival bezogen sicher, dass alle Headliner unter Dach und Fach sind, das ähhh ...Weihnachten ist der falsche Zeitpunkt! Festival bezogen ist für mich quasi Weihnachten wenn am Montag das Festival vorbei ist und alle mit einer guten Laune vom Platz gezogen, alle noch am Leben und bei bester Gesundheit sind. Das ist eigentlich für mich wie Weihnachten. Also da dreh ich das jetzt einmal rum.

RCN: Wie viel Schüler und Jugendliche aus Rothenburg sind denn an dem Wochenende aktiv für euch?

Volker: Also wir haben im Ganzen so knapp 200 Idealisten im Einsatz die ihre Freizeit wirklich uns zu Verfügung stellen um das Festival zu unterstützen und in diesem Festivalumfeld einfach  zu arbeiten.

RCN: Bekommen die Geld dafür?

Volker: Nö, gar nicht, dass ist komplett ehrenamtlich. Die freuen sich einfach, dass sie dabei sind. Da geht es viel um die Gemeinschaft, also wenn man dann Abends so nach getaner Arbeit mit den ganzen Kumpels so zusammen sitzt, das ist eine ganz tolle Erfahrung letztendlich. Es ist ja auch eine Arbeit die irgendwie cool ist und sie unterstützen das Festival, außerdem bekommt man ja den ein oder anderen Künstler noch mit wenn man jetzt da am Platz Müll sammelt oder eben einen Posten besetzt. Das gibt ihnen glaube ich genug für ihre Arbeit.

Das ist natürlich ein Punkt, wenn man wieder zurück springt auf diese Sauberkeit da draußen, wir könnten uns es sicher nicht leisten es in diesem Maße sauber zu halten, wenn wir jetzt da irgendwelche Reinigungskräfte dafür einstellen müssten.  Was da auch mit dazu kommt ist tatsächlich auch die Verantwortung der Jungs für die Natur, man macht ja da auch Umwelt und Naturpflege so speziell in der Müllgruppe.

Interview: Wolfram Hanke, Ewald Funk, Abschrift Carina Heimbach