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SO WAR SODOM, 29.10.2010, GUNZENDORF LIVE

Tom Angelripper ist nach wie vor die deutsche Trashlegende Nr. 1. Er gastierte neulich in Gunzendorf bei Bamberg und für .rcn war Leser Stephan dabei und verfasste einen ausführlichen Bericht.
SO WAR SODOM, 29.10.2010, GUNZENDORF LIVE
Foto: Hobke

SODOM, ABSORB, EMERGENCY GATE, VOTARY, 29.10.2010, GUNZENDORF LIVE

Gunzendorf ausgebomt! Bombenhagel auf Gunzendorf!

 Nein, nein, nun mal keine Angst, die Brauerei Sauer steht noch immer. Kein Terroranschlag (mit so etwas macht man keine Witze) sondern ein Trash- und Powermetal-Anschlag vom Feinsten auf die Brauerei Sauer in Gunzendorf ("Gunzi", wie der Einheimische es liebevoll nennt) gab es am Freitag, den 29.10. und zwar von Deutschlands Trash-Silberrücken "Tom Angelripper" alias "Onkel Tom" mit seiner Band Sodom (Als Onkel Tom war er im Frühjahr des Jahres schon mal da). Nicht nur der Experte weiß was los ist, wenn Sodom kommt. Genau, "Schön auffe Zwölf" und Trash-Metal-Tanzen der Fachmann nennt es Abmoshen, bis der Arzt kommt.

 Doch bevor wir zum Topact des Abends kommen mal ein paar Worte zu den Supportacts. Die weit verbreitete Meinung "Supportacts sind nur zum Vorglühen gut." wurde an diesem Abend schön widerlegt. Ein kurzer Exkurs zum Thema "Vorglühen" sei an dieser Stelle gestattet.

 "Vorglühen" ist eine echte Kunst, die gelernt sein will. "Vorglühen" bedeutet so viel wie "Genau die richtige Party- und Feierlaune haben, wenn der Topact kommt.". Es ist auf den Punkt genau die Grundstimmung zu erreichen, mit der man das Konzert in vollen Zügen genießen kann, ohne sich am nächsten Tag fragen zu müssen "Was und wann haben die Jungs eigentlich gespielt?". Ebenso falsch ist es, gelangweilt neben sich und der Menge zu stehen und alles apathisch über sich ergehen zu lassen. Wie man das "Vorglühen" richtig macht, wird in einer gesonderten Rubrik behandelt. Dort wird dann detailliert auf richtiges Timing und die korrekte Wahl und Dosierung der Hilfsmittel etc. eingegangen.

 

So, nun mal zum Thema. Opener des Abends ist die Band "Votary" aus Unterfranken. Krachender Powermetal, der in einigen Passagen an die alten Helloween erinnert. Na, da wackelt das Beinkleid doch schon mal. Und, obwohl die Techniker hier und da noch mit Rückkopplungen (nerviges und schrilles Pfeiffen) zu kämpfen haben, ist der Sound für einen Opener schon annehmbar gut. Auffallend bei Votary ist der Sänger, der mit seiner facettenreichen Stimme ein breites Spektum bietet. Im Gegensatz zum Kollegen Shouter, der versucht, die Feierlaune mit Mimik, Gestik und Show auf das richtige Gleis zu leiten, wirkt der Rest der Band leider etwas hüftsteif. Schon merkwürdig, denn verglichen mit dem Rest der Kapelle besitzt der Shouter eine ausgeprägte Brummkreiselfigur, ausgenommen mal der Schlagzeuger, von dem man ohnehin nur die obere Hälfte des Körpers zu sehen bekommt. Gegen 20:45 Uhr ist der Hütte im Gegensatz zu den darin befindlichen Leuten schon halbvoll und am Ende des Gigs wirkt das Publikum angetan, ohne jedoch in Euphorie zu geraten. Na, das ist doch schon mal OK für einen Opener, der es wie die Aftershow-Band immer schwer hat.

 Nach einer kurzen Umbaupause geht es mit der Erlanger Band "Absorb" weiter. Na prima, schnell ein Loacher (mundartlich für Lager Bier) reingedreht, eine geraucht, wenn man's denn braucht und schon wieder dröhnt es in den Ohr'n. Wie, "Es dröhnt in meinen Ohr'n"? Genau, Drönemeyer-Rock vom feinsten und laut Shouter "Fucking good old Death Metal." Ehrlich gesagt, ich kann Death Metal nicht wirklich vom Trash-Metal unterscheiden aber Kritiker und Erbsenzähler sind hier sowieso nicht gefragt, denn „Abzufeiern“ heißt die Deviese. Soundtechnisch geht es in die richtige Richtung. Absorb verstehen ihr Handwerk. Wechselnde Death-Metal-Rhythmen und krachende Gitarrenriffs, das gefällt den Leuten. Ein paar Fans haben Absorb scheinbar auch mitgebracht (Erlangen ist nicht ganz weit weg), denn die ersten Headbanger, Mitgröhler und „Tanzwilligen“ sind in Richtung Bühne unterwegs. Das Stimmungsbarometer zeigt ein Zwischenhoch an und am Ende des Gigs sind die ersten Zugaberufe zu vernehmen. Wer sich an dem Abend noch eine der falsch bedruckten CDs mitgenommen hat, wird es sicherlich nicht bereuen. Damit hat man sich sicherlich eine Rarität gesichert. Einziger Wehrmutstropfen beim Gig war ein Drumsolo, daß man als "Lückenbüßer" bei einer Spielzeit von einer dreiviertel Stunde eigentlich nicht benötigt. Glücklicherweise war das Solo kurz, knackig und gut, so dass Absorb die aufkommende Stimmung mit dem Drum-Solo nicht niedergeprügelt hat.

 

Schön, kurze Pause in der man sich wieder dem Thema "Vorglühen" widmen kann und dann geht's weiter. Weit gefehlt, es kommt eine ellenlange nicht endende Pause bevor die Band Emergency Gate den ersten Song spielt. Die Pause ist gefüllt mit einer On-Stage-Diskussion über Probleme mit dem Laptop und wird ab und an durch ein kurzes böses Gitarrenriff aufgelockert. Das ganze ist so unnötig, wie eine Maybrit Illner-Diskussionsrunde über die Auswirkungen des Bankencrashs auf die Mikroorganismen des Wattenmeeres. Während andere sich in Fragen "Vorglühen" ein Anwort-Pils reinschrauben, vertreibe ich mir die Pause mit der Beantwortung aufkommender Fragen, z.B.:

- Hä, wofür in aller Welt benötigt man bei einem (Trash-)Metal Event überhaupt einen Laptop oder einen Sampler?

- Können die (Emergency Gate) das Zeug nicht zuhause programmieren?

- Was macht denn eigentlich ein Keyboarder auf der Bühne?

- Wieso hat der Sänger als einziger kurze Haare und dazu ein weißes Outfit an (alles andere in Gunzendorf ist selbstredend in artgerechtem schwarzem Outfit aufgelaufen)?

- Bin ich noch auf der richtigen Veranstaltung?

Die Antwort auf die Frage kommt nach der viiiiiiieeeel zu langen Pannen-Pause.. Für meinen Geschmack handelt es sich bei Emergency Gate um eine durchaus beachtenswerte Kapelle, die mit einer gehörigen Portion Progrock am Start ist. Ok, bei der Mucke muss man einen Keyboarder und einen Sampler (Notebook) mit vorgefertigten Sounds an Bord haben. Aber bei diesem Line Up scheinen die Jungs doch etwas deplaziert, denn mit Trash- oder Death Metal hat Emergency Gate genauso viel zu tun wie eine Milchkuh mit Seilspringen. Hier hört man komplizierte Arrangements und eingängige Prog-Melodien mit dazu passender Lightshow (wirklich klasse). Der Sänger klingt entgegen den ersten Erwartungen richtig böse. Erahnen konnte man die Screamer-Qualitäten ob des weißen Hochzeitsoutfit mit dazu passender Kurzhaarfrisur sicherlich nicht. Der Versuch des Headbangens mit Matte-Kreiseln wirkte bei dem Hochzeitshaarschnitt allerdings ungewollt komisch. Im Publikum sieht man viele fragende Blicke. Hat das doch etwas mit Trash-Metal zu tun? Paßt die Band zum restlichen Line Up? Eine Antwort darauf ist und bleibt schwierig aber alles in allem klingt die Band interessant. Im letzten Song legt der Screamer, der die ganze Zeit wirklich derb geklungen hat, noch echte Gesangsqualitäten an den Tag und als nette Showeinlage gibt es noch ein Gitarrensolo Arm in Arm mit dem Gitarristen. Nicht nur mir scheint das alles etwas suspekt vorzukommen, vor allem die immer wiederkehrenden Probleme mit dem Notebook. Die Nachfrage nach Zugaben ist folgerichtig gleich Null. Auch, wenn Emergency Gate nicht gut wegzukommen scheinen, ich fand die Band und die Musik richtig interessant und würde gerne mal mehr hören. Und noch eine Anmerkung, die ich mir nicht verkneifen kann. Eine Ansage "Wo kommt denn das Bier her? „Gunzendorfer klingt wie „Düsseldorfer ...", geht im fränkischen Heavy-Tanz- und Kult(ur)-Zentrum schon mal gar nicht. So gesehen kann man Emergency Gate nur raten, sich beim nächsten Gig vorab zu informieren, wo die Reise hingeht.

Nun denn, ... Noch 'ne kurze Pause (hoffentlich), wie gehabt, eine gequalmt, ein „Loacher“ reingeschraubt (das Vorglühen nicht vergessen) und dann geht's endlich los. Denkt man, doch leider kündigen sich auch in dieser Umbaupause schon wieder technische Probleme an. Scheinbar sind die Techniker nicht in der Lage das Problem (Hauptmikro von Tom in der Mitte der Bühne funktioniert nicht richtig) nicht in den Griff zu bekommen. Egal, da wird nicht lange lamentiert Programm 68 am Sound-Prozessor vom Bass eingestellt, soll heißen verzerrter Bass, wie es sich für Sodom bzw. Trash Metal gehört, schnell das Drumset und den Gitarrensound abgenommen und los geht's. Endlich, Sodom betritt die Bühne und schon ist Stimmung im Laden. Als Opener bekommt das Publikum mit "The saw is the law" und "The vice of the killing" ein richtig schönes Brett von Klassikern vor die Nase geballert. Na klar, Tom ist schließlich nicht das erste Mal in Gunzendorf und als altes Alphatier in Sachen Trash-Metal weiß man ohnehin wie der Hase läuft. Experimente bleiben aus es geht ohne Umschweife direkt zur Sache. Leider bemerkt aber Tom auch, daß irgendetwas mit der Technik nicht stimmt. Gut nur, dass die „Trash-Ikone“ schon lange genug im Geschäft ist und weiß, wie man sich professionell verhält. Dann wird eben erstmal das Mikro links auf der Bühne benutzt, denn lange Diskussionen mit dem Techniker sind sicher nicht im Sinne der Fans. Nach "Outbreak of evil" und "Wachturm" und ein paar bösen Blicken von Tom in Richtung Stagetechniker, tauscht dieser endlich das Mikrofon in der Mitte der Bühne aus. Warum hätte man das nicht schon in der Umbaupause machen können? Egal, endlich funktioniert alles und Sodom kann sich auf das Kerngeschäft konzentrieren. Und das heißt "Trash-Spaß ohne Experimente". Nun werden keine Gefangenen mehr gemacht. Das Gelsenkirchener Trash-Urgestein und seine Mannen wirken frisch und spielfreudig. Klar macht es Spaß in Gunzendorf zu spielen, denn das Publikum kennt jeden Song und die Mitgröhl-Parts werden dankend angenommen. Es wird rumgepogt, was das Zeug hält ("rumgemosht" ist laut Wikipedia übrigens die korrekte Bezeichnung für das Trash-Metal-Tanzen). Wohl dem, der gleich zu Anfang Konzertfotos gemacht hat, denn erwartungsgemäß wird das Rumgemosche nicht vor dem letzten Ton eingestellt. Die Securities haben alle Hände voll zu tun. Die ersten Stagediver versuchen ihr Glück. Das Stagediving wird allerdings von den Ordnern im Keim erstickt. Nach 2 Versuchen ist Schluss damit. Eigentlich auch gut so, denn die Fehler, die beim Vorglühen gemacht werden, führen nicht selten zu Verletzungen beim Abfeiern (Stagediven, Rummoshen usw.). Ab Song Nummer 6 wird auch lautstark "Ausgebombt" eingefordert. Nix da, weiß doch jeder, das kommt erst am Ende. In der nächsten Stunde Trash-Feuerwerk gibt es neben den Klassikern auch Hörproben aus dem neuen Album und ein paar Onkel Tom Hits (Aber bitte mit Sahne, Es gibt kein Bier auf Hawaii) in angemessener Lautstärke auf die Lauscher. Dann endlich die Zugabenrunde mit "Ausgebombt" und "Bombenhagel". Ein Glück kommen die Songs, denn sonst hätte die „enthusiasmierte“ Meute den Laden sicherlich in Schutt und Asche gelegt und im wahrsten Sinne des Wortes ausgebombt. Gute 90 Minuten voll nach vorne, das geht auf die Kondition und macht Durst. Also, ab zum Tresen und sich bei einer Portion „Schlachtschüssel“, der Aftershow-Band noch ein paar „Loacher“ reingeschraubt. Vermutlich hatte der ein oder andere am Samstag auch noch etwas mit Heiserkeit und Kopfschmerzen zu kämpfen aber wofür bitteschön geht man denn auch sonst auf ein Sodom-Konzert? Übrigens die Hörproben aus dem neuen Album lassen auch keine unangenehmen Experimente erahnen. Da geht es in vertrauter Knüppel-Manier weiter. Schließlich will man als Fan auch, dass Sodom drin ist, wenn Sodom draufsteht, oder?

 

Als "Absacker" durften Schlachtschüssel nochmal ran. Dem FGV (Frequently Gunzendorf Visitor) ist die Band sicherlich ein Begriff. Schlachtschüssel gehört hinter Justice zu Frankens Aushängeschilden im Bereich "Heavy-Coverrock". Leider haben die Aftershow-Bands es immer schwer und spielen so gesehen nur noch zum Aftershow-Gelage, wie auch in diesem Fall. Naja, wer Schlachtschüssel mal in voller Länge sehen möchte, sollte sich auf deren Homepage nach Terminen umsehen.

 Fazit: Alles in allem war der Abend trotz der kleinen Unstimmigkeiten und Problemchen ein echt gelungener Abend. Und das lag sicherlich nicht nur am Topact Sodom sondern am gesamten Line Up. Diverse Ausprägungen von Heavy Metal der härteren Gangart gab's zu hören. Die Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden aber für meinen Geschmack ist ein abwechslungsreiches Konzert allemal interessanter 6 Stunden dasselbe. Und Variation gab es an diesem Abend reichlich, nicht nur in Punkto Biersorten. Positiv zu Vermerken ist auch, dass es an dem Abend keine schwerwiegenden Ausfälle gab.

 Eine Bemerkung sei abschließend noch gestattet. Wie heißt das fränkische Dorf, in dem man gerne die härteren Töne hört?

 "Guuuuuuuunzendooooooorrrrrrffff", so spricht man das richtig aus (fragt mal bei Justice an).

 Stephan Hobke