ROTOR
FÜNF
NOISOLUTION / INDIGO
Die nächste Scheibe aus der neuen deutschen Kreativschmiede
Berlin, dem Schmelztiegel für altbewährtes Musikrecycling aus
den vergangenen Jahrzehnten Rockmusik. Heute bekommen wir mal
ausnahmsweise ziemlich unkoschere Fleischeskost spendiert, die
Band spielte die Scheibe ausschließlich instrumental ein,
verzichtete also auf die Sättigungsbeilage zu ihrem
psychedelischem Stoner-Kraut. Statt weder Fisch noch Fleisch
bekommen wir hier aber volle Möhre Fleisch auf den Teller
geknallt. Als Album natürlich ein Wagnis, denn wie bei manchen
der früheren Desert-Sessions der Ur-Stoner-Szene oder Bands wie
Karma To Burn beschleicht einem beim hören eine stetige
unerfüllte Unruhe in einem, wann denn der Sänger jetzt endlich
anfange. Was in der elektronischen Musik kein Problem ist,
empfindet man in der Rockmusik als unperfekt. Rotor aber machen
nicht nur Stoner, sondern auch bisweilen astreinen Sessionrock,
der auch Progressivfans so einiges an Respekt abfordern sollte.
Die vier Hauptstädtler haben ja immerhin schon vier
Studio-Alben und ein Live-Album veröffentlicht und sind jetzt
beim Indielabel Noisolution gelandet, die regelmäßig ziemlich
geschmacksicher originelle Bands mit Qualität und Routine aus
den Probekellern zerren. Auf die acht Songs in 43 Minuten muss
man sich aber auf jeden Fall einlassen. Fans von dreiminütigen
Radionummern also bitte zuhause bleiben! Ich kann mir
vorstellen, dass Rotor vor allem auf der Bühne ziemlich
schieben und ihre Konzerte gut gefüllt sind mit leicht
hippie-eskem Publikum, was selten nüchtern Musik konsumiert.
Die Monokulturen der oberen Chartsregionen zwischen der
teflonesken Fischers Helene und dem nasigen Englers Hartmut mit
seinen Pur wird auf dieser Scheibe nicht nur ein nacktes
Hinterteil gezeigt, sondern gleich die Kriegserklärung aus
Berlins Musikszene entgegnet. Der Undergrund der Hauptstadt ist
halt doch ein kleines gallisches Dorf.
6 von 9 Punkten
WH & EF