ALT-J
THIS IS ALL YOURS
INFECTIOUS-PIAS COOPERATIVE / ROUGH TRADE
Mal sehen was die Mode diesen Winter so alles bringt.
Endlosschals? Stulpen? Holzfällermützen? Dieses Jahr vielleicht
Gletscherbrillen über Wollkappen? Eins ist sicher, der
gepflegte Hipster hat vor allem eins zu erledigen: bis zum
ersten Advent die neue Alt-J zuhause stehen zu haben. Denn die
ist Mode. Zu Recht. Ihr zweites Album bringt Anti-Musik, die
definitiv nicht im Radio laufen wird, aber das Feuilleton liebt
sie. Ich inzwischen auch. Habe halt den Beipackzettel nicht
gelesen, der besagt, dass die Band aus der einstigen englischen
Textilmetropole sich diametral zu Antibiotika entwickelt. Das
verträgt eigentlich jeder, aber wer es zu regelmäßig nimmt,
entwickelt gerne eine Unverträglichkeit dagegen. Dagegen
gewinnen Alt-J bei jedem neuen Hören und sie verlieren ihre
anfängliche Unverträglichkeit. Faszinierend, wie da jemand
hergehen kann und ruhigen Indiepop instrumental soweit
auszumisten, dass nur noch halbnackte, gestrippte Musik da
steht. Genau die richtige Abendmusik für die länger werdenden
Herbstnächte zuhause bei vorzugsweise Tee. Oder halt als
Hintergrundbeschallung für das Szenecafé mit Hot Spot, wo die
Hornbrillen-Geeks auf ihren i-pads mit den Fingern
umherwischen, als gälte es die Dinger zur Ejakulation zu
bohnern. Die Tags für Alt-J sind Mumford & Sons, Notwist,
Tortoise, Radiohead, das Spex- und das Vice-Magazin. Genial
ihre Instrumentenwahl. Ganz selten verstecken sich hinter den
ruhigen, etwas depressiven Gesangslinien die klassische Gitarre
oder das Piano, meistens sind das schon fast Instrumente des
Orffschen Schulwerks. Zimbeln, Triangeln, Xylophon und sogar
die gemeine Erstklässler-Blockflöte hat ihren Auftritt. Neben
der hochgelobten Debutscheibe kann der Zweitling auf seine Art
bestehen, denn die Scheibe ist eine echte Allzweckwaffe: Sie
hat etwas esoterisches, und eignet sich für alles entspannte,
vom Sex bis zum Ausdruckstanz in der Montessori-Schule und dem
Geburtsvorbereitungskurs. Vor allem der sakrale Chrogesang der
Band ist genial, sie sind einfach die Gregorians des Indiepop
und haben den Humor, als Hidden Track dieses grausige „Lovely
Day“ von Bill Withers (mit Verlaub: Ein klasse Bassist) zu
covern. Und damit sind wir wieder bei Alt-J und deren seltsamer
Anziehungskraft...
EF
6 VON 9 PUNKTEN