SCORPIONS
FOREVER AND A DAY
RCA / SONY
Die Scorpions. Gegründet 1965, ein Jahr nachdem ich geboren
wurde. Die deutsche Rockgeschichte wäre ohne sie um 100
Millionen verkaufte Platten ärmer, kein Song ist mit einer
weltpolitischen Wende (Perestroika in Russland) so eng
verknüpft wie „Wind Of Change“, und meine eigene musikalische
Sozialisation wäre ohne Alben wie den Live-Geheimtipp „Tokyo
Tapes“ oder nahezu perfekte Scheiben wie „Lovedrive“ und
„Blackout“ sicher langweiliger ausgefallen. Die Band hat enorm
viel bewegt, war über Jahrzehnte weltweit unendlich erfolgreich
und hat sich bei diesem Film unter Mithilfe der renommierten
Filmemacherin Katja von Garnier einen schönen Rückblick
zusammen schneiden lassen. Etwa in der Mitte der 100 Minuten
sitzt ein leicht nachdenklicher Klaus Meine auf dem Sofa
zuhause und reflektiert über den Stachel, der leider schon
immer in seinem Herzen steckte. Das, wenn man nach umjubelten
Tourneen mit irren Konzerten (800.000 in Krakau, 90.000 in der
Mongolei, 260.000 in Moskau, 300.000 Kalifornien) wieder heim
kommt, dieser künstlerische Respekt in Deutschland leider aus
bleibe. Wahrscheinlich die ehrlichste und schönste Szene der
Doku, genauso wie Meine zum Ende hin seine Frau vorstellt, mit
der er seit Anfang seiner Karriere verheiratet ist und dankbar
herzt. Ansonsten bildet der Streifen ein reichhaltiges
Patchwork aus kultigen Archivaufnahmen mit dem jeweiligen
Zeitgeist, Backstageszenen und eine ganze Latte Prominenz und
ehemalige Bandmitglieder. Die letzten beiden erledigen das dann
mit dem Respekt und dem Lob. Warum die Scorpions im eigenen
Land zwar erfolgreich, aber nicht immer ernst genug genommen
wurden? Zumindest aus meiner Sichtweite, und ich darf das ja
offen sagen, liegt es halt an manchmal oberpeinlichen Verhalten
vor Kameras und in Interviews. Englisch mit Konzertbesuchern
daheim in Deutschland kommunizieren (Wacken) geht halt gar
nicht. Coolness aus Hannover kommt für mich von Fury In The
Slaughterhouse oder Heinz Rudolf Kunze. Und was den Film
angeht, so hat zumindest Klaus Meine durch überlegte Antworten
und Gelassenheit ganz viel Boden bei mir wieder gut gemacht.
Bei James Kottak, seit Jahren der oft hochnotpeinliche
Haarspray-Rocker-Clown am Schlagzeug, hätte weniger Präsenz im
Film ausgereicht, bei Basser Pawel Maciwoda dafür mehr. Kaum zu
sehen: Francis Buchholz, Basser der erfolgreichsten Jahre.
Vielleicht liegt es am Charakter? Ein Musiker schilderte mir
mal, als er Buchholz im pinkfarbenen Jackett auf einer
Musikmesse traf. „Der hatte so eine halbseidene
Rotlicht-Ausstrahlung, dem Herren hätte ich nicht mal einen
Kugelschreiber abgekauft“. Buchholz war lange Jahre in die
Finanzen der Band involviert, die Trennung erfolgte nicht
gerade im Guten und vielleicht ist das auch der Grund, dass er
für 20 Jahre Bandzugehörigkeit nur wenige Sekunden zu sehen
ist.
6 von 9 Punkten
EF