CD REZI BLUES / SOUL: LEON BRIDGES
COMING HOME
COLUMBIA / SONY
Es gibt immer noch so wundervolle Momente, wo ein blutjunger
farbiger Musiker aus den amerikanischen Südstaaten Mitte 20
eine Platte hinlegt, die - hört man sie im Radio – sofort als
Oldie aus den 60er Jahren einsortiert. Und man sich als Fan von
Soul und Gospel fragt, warum man diese Stimme noch nicht kennt.
Leon Bridges hat mit seiner Single „Coming Home“ ziemlich
stattlich Airplay bekommen, und bei Spotify (das wird ja
mittlerweile auch als Gradmesser für die Popularität eines
Künstlers heran gezogen) ebenfalls eine Art Top Ten-Hit
erzielt. Das klingt wie die typisch amerikanische „vom
Tellerwäscher zum Millionär“-Karriere, und pfeilgerade beginnt
der Plattenfirmen-Waschzettel dann auch mit „Vor eineinhalb
Jahren wusch er noch Teller in einem Restaurant in Fort Worth.
Vor drei Monaten jagten vierzig Plattenfirmen nach seiner
Unterschrift.“ Jetzt folgt das Album. Was macht Leon anders,
als andere? Nichts, aber der sehr schüchterne Bursche bringt
einfach Talent mit ins Spiel. Soul singt er mit Seele, und das
ist nun mal die Domäne der schwarzen Bevölkerung der Weltmacht
USA. Witzigerweise hatte er sich vor ein paar Jahren eher für
Genossen wie Usher interessiert, bis er einen Film von
Kultregisseur Spike Lee gesehen hat (seine Filme, immer
empfehlenswert!). Da ging es um den Bürgerrechtskämpfer Malcom
X, und Sam Cooke war darin sein Erweckungsmoment und er
probierte einfach, zusammen mit rudimentären
Gitarrenkenntnissen auch so etwas zu machen. Und das macht man
definitiv nicht, um irgendwelche Businesspläne zu erfüllen,
sondern aus Überzeugung. Zum Album braucht man nicht viel zu
sagen, es ist eine wundervoll warme Zeitreise in eine Ära, wo
die Musikwelt frei war von Gangsta-Rappern, Kirchen anzündenden
Black Metal Musikern oder vorproduzierten Casting-Musikern.
Bridges’ Karriere begann bei Abenden mit offenen Bühnen und
wurde nun mit dieser Scheibe gekrönt, die vernünftigerweise nur
mit altem Equipment eingespielt wurde. Fazit: Wer sein Gemüt am
Abend gerne mit Otis Redding oder eben Sam Cooke wieder auf den
Boden bringt, KAUFEN! Einfach mal blind „Flowers“ oder den
Schleicher „Lisa Sawyer“ antesten!
EF
6 VON 9 PUNKTEN
