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Rock im Park // Freitag, 02.06.2017
Von Lea Biermann
Nach all den Jahren fallen einem einfach keine Umschreibungen
und Euphemismen mehr ein um schlicht zu sagen: ´S wieder Rock
im Park. Die Festival-Jungfräulichkeit wird wenigen attestiert
wenn man sich anschaut, mit welcher Kreativität die aktuellen
Sicherheitsvorkehrungen umgesetzt oder umgangen werden. Denn
die jüngsten Anschläge in Manchester, oder noch naheliegender
die Bombendrohung beim Partnerfestival Rock am Ring,
reformieren den sorglosen Zeitgeist, für den Musikfestivals
insbesondere bisher Vorbild standen.
Dennoch sehr unbelastet stürmen die Donots
die Zeppelinstage, denn kein Line-Up der Republik ist
vollständig ohne die Kombo aus dem nördlichen
Ruhrpott/Westfalen. Obwohl ich persönlich kein großer Fan der
Knollmann-Show bin, muss man ihnen zugestehen, dass sie große
Bühnen solide auskosten und noch viel wichtiger: Den Platz vor
der Bühne zum Beben bringen. Und was ist eigentlich so schlimm
am massenkonformen Punk, wenn er die richtige Message an den
Status Quo bringt? Gleich beim ersten Song demoliert Sänger
Ingo sein Mikrofon und setzt damit ein gutes Omen, wenn es um
destruktive Punk-Attitüde geht. Das letzte Konzert der Donots,
dem ich beiwohnen durfte – kurz vor ihrem 1000. Auftritt – fand
noch vor einem Berggipfelpanorama bei -15°C statt, an diesem
schweißtriefendem Freitagnachmittag steigt die Körpertemperatur
bei jedem Song um gefühlt 10° an und die Grillmeister im
Mosh-Topf sind in keinster Weise zu beneiden. Und wenn ich eine
Lehre aus diesen 50 Minuten Mucke mit viel Gelaber mitnehmen
kann, dann dass der nächste Meilenstein in meiner Vita sein
wird, so liebenswert spastisch tanzen zu können wie ihr
Keyboarder.
Die Altpunk-Ahnenreihe wird fortgesetzt mit
Sum-41, die nach einer kleinen Pause und mit
neuem Album schon im Frühling auf einigen Konzerten unter
Beweis gestellt haben, dass die Leberwerte wieder
Rock’n’Roll-konform sind und Kanada mehr kann als Nickelback
und Justin Bieber. Und was ist eine reinkarnierte Band schon
ohne ein episches Intro? Sum haben gleich drei davon im Gepäck.
Die Band unterschätzt ein bisschen, dass auch bereits am ersten
Tag am späten Nachmittag Achselschweiß durchaus ein Problem
darstellen kann, zumindest wenn der Vordermann den ständigen
Kommandos von Deryck Whibley Folge leistet und seine Hände zum
Klatschen oder für den allseits beliebten Mittelfinger-Gestus
in die Höhe reckt, wie es das aufblasbare Skelett auf der Bühne
instruiert. Wer die Band kennt, weiß dass sie durchaus einen
Hang für Soli haben, inklusive der Metal-Cover-Einlage von
Gitarrist Dave Baksh, die seit Jahren traditionell Teil des
Sets ist.
Wirtz ist wahrscheinlich das beste Beispiel
dafür, dass gute Musik manchmal nur eine Plattform benötigt, um
gehört zu werden. Vor Jahren wäre es kaum denkbar gewesen, dass
der Sub7even-Sänger einmal auf der Center Stage bei Rock im
Park stehen würde, geschweigedenn auf dem TV-Bildschirm zu
sehen sei, wie auch selbst das ein oder andere Mal ergriffen
betont. Als er die allgemeine Frage in die Runde stellt, wer
ihn eigentlich kenne, ist die Resonanz sehr verhalten und
generell das Publikum recht unentschlossen. Möglicherweise
kommt deswegen relativ früh im Set sein „Hit“ "Mon Amour", um
den "Déjà-Vu" –Effekt bei dem ein oder anderen zu bedingen.
Insgesamt sind sowieso erfreulich viele Songs vom Debut-Album
11 Zeugen integriert. Während dem Song "Ne Weile her"
klettert eine auf die Ferne unerkennbare Gruppe Guerillas auf
die geschichtsverformten Stufen des Aufmarschgeländes rechts
der Bühne und schwingen ein Anti-Nazi-Banner, welches sich
ungefähr auf die Spannweite erstreckt wie jenes, das kurz zuvor
noch die Bühne der Donots zierte. Natürlich ist das SEK der
Securities schneller als das Publikum schauen kann und somit
bleibt diese Aktion relativ unbemerkt, wenn auch sehr
eindrucksvoll in meiner Erinnerung konserviert.
Von den Beatsteaks bekomme ich nicht viel
mit, da ich bereits weiter zu Suicide Silence
muss, doch braucht man sich um die fünf Berliner Gentlemen of
the year sicherlich nicht sorgen, die garantiert für gute
Unterhaltung stehen und mit einem Ace Of Spades-Cover zuletzt
honorieren, bei jedem vergangenen RaR-/RiP-Auftritt die Bühne
mit Lemmy und Camaraderie geteilt zu haben.
Suicide Silence liefern zusammengefasst
eigentlich eine sehr solide, metallische Show ab, auch wenn
sich ein großes Enigma rund um einen der Gitarristen entblößt,
der zuerst zu spät auf die Bühne stolpert und sie aus Gründen
der Symmetrie auch früher verlässt. Allerdings nicht ohne seine
Gitarre zu zerschmettern und einen Verstärker zu zerstören. Die
Eskalation mag einen Grund haben, vielleicht auch zwei, aber
mir zumindest erschließen sie sich nicht.
Zum Glück halten Beartooth die Metalcore-Ehre
letztlich noch aufrecht und entlassen mich mit einem breiten
Lächeln in die warme Sommernacht, bevor sie auf der Park-Stage
mit...
Kraftklub beendet wird.
Für die fünf Buam aus Karl Marx Stadt fällt zum ersten Mal
seit zwei Jahren der Vorhang auf einer Festivalbühne, was man
ihnen inmitten einer Armada von mehreren Dutzend Tänzerinnen
kaum anmerkt. Am Erscheinungsdatum ihrer neuen Platte "Keine
Nacht für niemand" präsentieren sie sich wie immer mit einem
Hang zur choreografischen Perfektion, die beinahe schon an eine
Inszenierung a la Eurovision Songcontest erinnert. Die
Corporate Identity bleibt dieselbe, ausgenommen der entblößten
Hühnerbrust von Felix Brummer, die an diesem Abend keusch unter
Poloshirt, Hosenträger und Bomberjacke verborgen bleibt. Was
man vielleicht glücklicherweise auf die späte Abendstunde
schieben kann oder das konsequente Branding, welches nach
Jahren immer noch so originell ist wie es sonst nur die Hives
oder Angus Young schaffen.