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SO WAR: ROCK IM PARK 2015 NACHLESE SAMSTAG, 06.06.2015

Am Samstag roch es bereits Mittags derart streng wie auf einem Stück Sahel Zone, durch das man eine Riesen Herde Weidetiere kurz nach der Tränke hindurch getrieben hätte. Der Moment also, in dem die Viecher ihr Brackwasser ablassen. Wasser war an diesem Tag auch das Zauberwort, wahrscheinlich wird bei so einem Wetter nächstes Jahr Nestle Hauptsponsor. Da darf man dann als politisch korrekter Festivalgänger entweder zwischen Satan Beck's von InBev oder Satan Vitell von Nestlé wählen oder sich in einen dieser Wunderanzüge aus Duné - Der Wüstenplanet zwängen. Autorin Lea gab auch Samstag lyrisch Gas und Matteo knipste relaxt einige ausgesuchte Bands für Euch!
SO WAR: ROCK IM PARK 2015 NACHLESE SAMSTAG, 06.06.2015

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SAMSTAG, 6. JUNI 2015, ROCK IM PARK NACHLESE

Und wie prophezeit stinkt der Park wie untertriebene Euphemismen sämtlicher Körperflüssigkeiten. Jedes Luftmolekül scheint entweder mit Staub angereichert zu werden, oder mit einer hochprozentigen Dosis Alkoholschweiß des Vormannes. Das heilige Wort des Tages, Wasser, wird in Stoßgebeten und in materieller Form gen Himmel geschickt, beides kommt im Laufe des Tages wieder runter. Einmal in Form einiger gnädiger Abkühlrationen und zur späten Stunde dann vielleicht als Gottes Wille gegen all die Sünden, die am Campingplatz begangen werden. Oder gegen Marilyn Manson – only God knows.

Bis zu Marilyn Manson dauert es allerdings noch einige Stunden und um die zu überbrücken führen die roten Sticker, überall vom rot gekleideten Mob an jeden zweiten Pfosten – egal, ob Metall, Holz oder Mensch - geklebt, zum roten Banner auf der Zeppelin-Stage. Alle Wege führen zu Schmutzki, lautet die einzige Ablasspilgerreise, der Jakobsweg für jedermann. Mehr oder weniger ausgeschlafen begrüßen die Schwaben den Mob im Park mit der Schmutzki- Anstandsformel „Wir sind bereit zu weit zu gehen“ und vice versa. Inhalt waren Luxusprobleme, Ausschlafen, Politik und vielleicht am Rande auch ein bisschen das am gestrigen Tag veröffentlichte erste Album „BÄM“, welches in Rohkost ein bisschen wie eine gewürzte Mischung aus WIZO und Kraftklub klingt, in schweißgebratener Marinade dann aber viel mehr fetzt und selbst bei High-Noon-Spielzeit rare und blutig punkig klingt.

Die Donots führen den massenfähigen Abseits-Punk weiter. Aus dem Mob im Park wird Bock im Park und aus dem Schmutzki-Rodeo-Mosh wird ein Donots-Karacho-Zenitkreis, denn die Sonne steht mittlerweile so steil, dass nichts mehr vertikal überlebt. Selbst der eigene Schweiß scheint auf der Haut zu kondensieren und eine Salzwüste zurück zu lassen. Besonders im Vergleich zum letzten Jahr haben die vorsorglichen Securities mit Mutterkomplex eher nachgelassen, trotzdem ist für Abkühlung gesorgt und Schattenplätze sind zwar rar, aber zumindest vereinzelt hinterm Brezenstand vorhanden. Ingo Donot gibt sein Bestes und fächert ein bisschen mit der Kein Bock auf Nazis-Fahne auf der Bühne herum, und erzählt vom Soundmann, der bei Rock am Ring am Vortag nach seiner Aussage wohl direkt vom Blitz getroffen wurde, was beim Nürnberger Mitternachtss-Unwetter einige Stunden später glücklicherweise niemandem blüht.

Zur Abwechslung geht’s dann zu den Sonnenallergikern von Motionless In White in der Arena. Und einzig und alleine das Danzig-Cover haut alles andere raus. Kadavar knapp eine Stunde später auf selbiger Bühne bringen dann einen souveränen Ausgleich von gemütlichem Absacker zum Nachmittagstief und Warm-Up für Skindred, die im Anschluss spielen mit pathetischem Star-Wars-Intro auftreten und dem Titel ihres neuen Albums alle Ehre machen. „Kill The Power“ wird zwar nicht ausgelebt, aber „Kill The Arenaboden“ oder „Kill The Strom“, denn ab und zu knackt die Leitung, was im Grunde aber scheißegal ist, weil schon alleine im Namen Skindred genug Strom für drei Tage Festival steckt. Und einzig und alleine Skindred können in Beisamkeit von einigen hunderten Menschen der Queen mit einem fetten zynischen Grinsen winken, ohne dass es in geringster Art heuchlerisch wirkt.

Rise Against im Anschluss auf der Hauptbühne werden zwar mit ähnlicher Euphorie gefeiert, aber so ganz kann ich das nicht nachvollziehen. Schieben wir es auf die Soundmischung und nicht auf die Band, aber bei jedem Song braucht es eine geschlagene Minute, bis man den Song erkennen kann und synchron spielen ist auch keine Creme. Vielleicht muss man einfach auch nur Rise Against heißen, um zwischenzeitlich 10 Circle- oder Mosh-Pit-Herde zu induzieren.

Die Toten Hosen lösen Rise Against dann ab mit einem dramatischen Aufmarsch zum Westernpanorama, das dann in „Bonnie und Clyde“ mündet. Nahtlos weiter zu ‚Liebeslied‘ und im Schweinsgalopp dann über neue Songs wie ‚Willkommen in Deutschland‘ und ‚Altes Fieber‘ immer weiter gen Horizont, der sich im Hintergrund noch ganz im apokalyptischen Kitsch pink über der Arena erstreckt. Die Hosen werden immer die Hosen bleiben, das beweisen sie seit einigen Dekaden. Das kann man ihnen nun vorhalten oder auf die Kappe schreiben, dran ändern werden sie sowieso nichts. Und das ist als Kompliment gemeint, meinerseits zumindest. Um Callejon nicht zu verpassen ließ ich dann die Hosen mit ihren fast 80 000 Zuschauern alleine und bekam im Gehen zumindest noch das Cover von Iggy Pops ‚Passenger‘ mit und einen von Campino mit der GoPro festgehaltenen Hinsetz-Aufspring-Hampelmann-Moment zu ‚Steh auf, wenn du am Boden bist‘ mit.

Statt die Hosen im Anti-Faschistischen Namen zu covern, die ja nebenan parallel spielten, gaben Callejon ihre Interpretation von ‚Schrei Nach Liebe‘ zum Besten und sowieso eine Show, die gut mit der der Hosen mithalten konnte. Und trotzdem oder genau deswegen war die Halle auch voll voll.

Body Count feat. Ice-T nahmen dem bahnenden Unwetter einiges an Zerstörungswut voraus. Ice-T klatschte gleich zum Anfang seinen Mikrofonständer ohne Schulterblick oder Blinker in die Ecke und wollte von da auch nur noch „Ice Motherfucking T, BITCH“ genannt werden. Für mich persönlich eine Art Meilenstein, Body Count noch einmal zu sehen, auch wenn ich mit dem aktuellen Album nicht viel anfangen kann. Dominiert spielen sie sowieso Songs vom legendären selbstbetitelten Album und vor allem ziemlich grandios ‚KKK‘, das Ice-T mit knallhartem, vielleicht auch falsch interpretiertem Sarkasmus als Liebeslied verkauft.

Marilyn Manson habe ich nicht gesehen (deshalb habe ich das Unwetter ja auch überlebt!), doch ungefähr zeitgleich legten sich erste Lüftchen über Nürnberg und wenige Momente nach Geisterstunde hallten dann die ersten Megafon-Durchsagen über den Platz. Sowohl die Arena als auch das Kolosseum werden als Sammelpunkt angepeilt und die Evakuierung geht mehr oder minder organisiert von Statten, bis um spätestens halb Fünf Uhr morgens dann jeder wieder in seine Heia darf, die bis dahin Schleuder- und Waschgang durchlebt hat.

Lea Biermann

NACHLESE ROLAND HORNAUER

Samstag 6. Juni 2015

Die Broilers mussten sich wohl auch vertraglich auf die Musik konzentrieren. Ohne ihre überzogen langen Ansagen und Animationen wie beim letzten Hallenkonzert in Bamberg ist die Oil-, Ska-, Punkcombo deutlich besser und gehört damit eindeutig zur ersten Unterhaltungsliga. Ihr wilder Ritt zwischen Ska, Rock, Punk, Reggae und Rockabilly ist absolut Festival und Zeppelin Stage tauglich.

Dies gilt natürlich nicht für Tocotronic. Ihre intellektuell anspruchsvollen Indiesongs passen zwar zur Park Stage, ziehen aber nur die musikalischen Feinschmecker unter den Besuchern an. Leider gab es mit einer Ausnahme nur alte Songs, mehr vom neuen Album wäre toll gewesen. Anschließend rockten Rise Against und die Hosen ordentlich die Zeppelin Stage. Zu den Hosen muss man ja fast nichts mehr sagen, zu oft waren sie schon bei RiP als Headliner. Aber auch als Headliner mussten sie sich an die Vorgabe halten, weniger Gelapper, dafür mehr Musik. Bei „Pushed Again“ gab es im Publikum Pyros satt und bei „Tagen wie diesen“ gab es von der Bühne einen Konfettiregen. Dass Die toten Hosen alt geworden sind, merkt man nicht an der Musik, aber am nachdenklichen Gedenken an einen verstorbenen Crewmitglied bzw. an den guten Wünschen für den schwer erkrankten Exkollegen.

Roland Hornauer