WIRTZ
AUF DIE PLÄTZE, FERTIG, LOS!
WIRTZ MUSIC / TONPOOL
Jahrelang war der ehemalige Sub7even („Weatherman“) Sänger
Daniel Wirtz das best gehütete Geheimnis im deutschsprachigen
Rock. Mit „Sing mein Song – Das Tauschkonzert“ könnte sich das
ändern. Die durchaus einmal ansehenswerte TV-Musiksendung
offenbart etwas, was vorher nur ein schwer eingeschworener
Fankreis wusste: Niemand kann derzeit mit minimal Fremdwörtern
und maximal Einfühlungsvermögen textlich derart gelungen mit
der (harten) deutschen Sprache Gänsehaut erzeugen. Zum einen
steht da sein musikalischer Kapellmeister und Produzent
Matthias Hoffmann im Hintergrund, für das textliche ist Daniel
selber verantwortlich. Und beides ist eine Kombination, die
seit fünf Alben zündet. Als unsichtbaren Beipackzettel jedes
Wirtz-Albums sollte allerdings erwähnt sein, dass man das
Urteil über das jeweils neue Werk erst nach mindestens 30
Durchläufen fällen sollte. Salopp gesprochen durchlebt der
eingefleischte Fan bei „Auf die Plätze...“ eine Metamorphose.
Kritisch beim ersten Hören „Wirtz halt, aber wegen der
Fernsehshow diesmal etwas arg kommerziell geraten,
wahrscheinlich lang geplant“ geht es über „Mein persönliches
Privateigentum Wirtz macht jetzt auf Massenphänomen, deswegen
steige ich jetzt hier aus“ zu „’Mantra’, ‚Viel Glück’ und ‚Wir’
sind die besten Songs, die er seit dem Debut gemacht hat, der
beste Wirtz aller Zeiten, warum nicht einmal positiv denken und
das Selbstmitleid und die Melancholie früherer Alben über Bord
werfen?“ als endgültiges Fazit. Wer den Frankfurter noch nicht
kennt: 90er Jahre Alternative aus der Grungezeit treffen auf
modernen Gitarrenrock und einen maximal sympathischen
Frontmann, geschickten Texter, Sänger und Namensgeber seiner
Solokarriere. Seine Poesie wirkt erst profan, ist aber perfekt
eingedampfte Lebenshilfe. Unpolitisch und unparteiisch gehalten
sind sie wie ein Horoskop: Auch wer nicht an die Macht der
Sterne glaubt, wird sich beim Durchlesen trotzdem an die eigene
Nase fassen und zugeben, dass die Lebenshilfe seiner Lyrik
dadurch zündet, dass seine vertonten Gefühle auf all die
wichtigen Erlebnisse des eigenen Lebens passen wie wichtigsten
Erkenntnisse eines eigenen Tagebuchs. Und wieder hat er mich
gepackt, der alte Hund! Musiker sollten unbedingt reinhören,
denn so geht deutsche Rockmusik heute!
EF
8 von 9 Punkten
