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SO WAR: ROCK IM PARK, SONNTAG, 05.06.2016, NBG. ZEPPELINFELD

Dritte Folge unserer Rock im Park Nachlese, der Sonntag. An diesem Tag fand das Zwillingsfestival Rock am Ring nicht statt. Im Park ging es hingegen glimpflich ab mit Unwettern dieses Jahr. Wohlan, auf zum Endspurt, hier Lea’s Liverezi und die Bildergalerie von Matteo!
SO WAR: ROCK IM PARK, SONNTAG, 05.06.2016, NBG. ZEPPELINFELD
Bullet For My Valentine
Foto:: Salasnich
SO WAR: ROCK IM PARK, SONNTAG, 05.06.2016, NBG. ZEPPELINFELD

Text: Lea Biermann
Fotos: Matteo Salasnich


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Im Gegensatz zum pfälzischen Pendant Rock am Ring schlägt die fränkische Großveranstaltung weder Schlagzeilen über mehrere Dutzend Verletzte, noch enttäuschter Heimreisende oder Stimmen des empörten Veranstalters Lieberberg. Das Wetterspektakel des dritten Tages bewegt sich kongruent zu der Oktavlage der Interpreten, die an den beiden Vortagen bereits bei RaR spielten, und einen akzentuierten Abschluss des Festivals versprechen.

All diejenigen, die sich am Vorabend noch keine Erkältung geholt haben, oder einfach hardcore genug sind, die auszusitzen, brauchen nicht einmal pünktlich sein für die erste Band auf der Mainstage. Denn The Struts tauchen erst knapp 30 Minuten nach der angesetzten Spielzeit auf. Das mag einerseits an dem Bühnenbild der Red Hot Chili Peppers liegen, das schon fast acht Stunden vor deren Auftritt am Bühnendach balanciert, vielleicht aber auch ein Teil der affektierten Rockstar-Attitüde, die die Briten generell augenscheinlich an den Tag legen. Man könnte die Bühnenshow selbstbewusst und erfrischend souverän für eine 13 Uhr Nachmittags-Band (bzw. ja mittlerweile fast 14 Uhr) nennen. Teils überschlagen sich diese Mick Jagger-Tanzeinlagen, Frank N Furter-Mimik und Johnny Rotten-Intonation allerdings selbst in ihrer Kovalenz. Inmitten all der publikums-animierenden Einlagen spielen sie keinen einzigen Song vollständig ununterbrochen, auch wenn die Fragmente, die sie ausführen, gar nicht schlecht klingen.

Kein Vergleich natürlich zu Irie Révoltés, die bisher jeden tanzfaulen Besucher zum Tanzen gebracht und jeden mundfaulen Biedermeier zum politischen Aktionismus, da sie – aus persönlichen Studien zumindest hervorgehend – zu den meistgespielten Bands auf Demos gehören. Und wie es auch nicht anders zu erwarten war, sind sie auch die ersten und letzten innerhalb der drei Tage, die auf den historischen Hintergrund des Zeppelinfeldes hinweisen. Mit ihrer bunten Mischung aus Ska, Raggae und Rap, teilweise auch auf Französisch, bemühen sich Irie also um den Kulturgehalt des Festivals – ganz auf Waldorf-Art mit Spiel, Spaß und Tanz.

Und von Irie Révoltés gleich zu den Kulturwissenschaftlern in anderer Auslegung – We Are Scientists in der Arena. Mit „Nobody Move, Nobody Get Hurt“ vertonen sie gleich an zweiter Stelle der Setlist ihren Hochkaräter und löschen mit gleicher Ausdauer die Schwelle zwischen anspruchsvollen Indie-Triolen und melodiöser Einfachheit, die viel zu britisch für eine amerikanische Band klingt, sodass die knapp 40 Minuten Spielzeit entweder dem Phänomen der Relativität unterliegen, oder einem Putschversuch der Foals, die zeitgleich auf der Centerstage spielen. Und bei ihnen handelt es sich tatsächlich um Briten, nur für’s Protokoll. Sehr progressiv und für die Breite des Rock im Park-Publikums somit ein bisschen fehl am Platz, erspielen sie sich nicht viel Sympathie.

Dasselbe könnte man beinahe von den Deftones behaupten, die zur Dämmerstunde die Zeppelin-Stage betreten. Denn wenn schwarz nicht schwarz genug ist und die tiefe E-Saite nicht tief genug, dann kommen halt die Deftones mit ihrer 8-saitigen E-Gitarre. Wie die Dame von Energy in der Vorankündigung der Band schon so rücksichtsvoll erwähnt hat, damit es bloß nicht zu Verwirrung kommt, handelt es sich bei den pinken Flamingos natürlich um das Cover des neuen Albums, das sich nicht besser mit der generellen Oktavlage der Band widersprechen könnte. Hundertprozentig finden die Deftones nicht wirklich so etwas wie Zugehörigkeit im größtenteils jungen Publikum, aber das – so spreche ich ihnen mal das Recht zu –  müssen sie sich gar nicht allzu sehr zu Herzen nehmen.

Alleine der Ansturm bei Billy Talent verspricht, dass diese Band ohne Widerspruch und Zweifel mit offenen Armen im Park aufgenommen werden wird. Auch wenn den Kanadiern seit vielen Jahren eher der Ruf vorauseilt, dass sie nicht gerade für Live-Qualitäten einstehen, merkt man, dass ihre mittlerweile in die Jahre gekommenen Hits wie „Red Flag“, „Fallen Leaves“ etc. Selbstläufer sind. Ansonsten verhält sich das Publikum eher verhalten, obwohl sich seit den letzten 20 Jahren nicht viel geändert hat – geht man nach der Frisur des Gitarristen Ian D’Sa. Drummer Aaron Solowoniuk kann im Gegenzug aufgrund seiner MS-Erkrankung nicht die übliche Position am Schlagzeug einnehmen, sondern wird von Jordan Hastings von Alexisonfire ersetzt. Und vielleicht hat sich abseits dessen doch so einiges in den letzten 20 Jahren geändert – abgesehen natürlich von der Haarspraymarke von D’Sa. Denn statt gegen Bush’s Politik zu wettern, richten Sänger Kowalewicz, seine Kollegen und das Publikum ihre Mittelfinger mittlerweile an Donald Trump bei „Kingdom of Zod“ und vor 20 Jahren hätten sie sich nie erträumen können, auf derselben Bühne wie die Red Hot Chili Peppers zu stehen, wie Kowalewicz des öfteren demütig betont.

 Die besagte Legenden von den Red Hot Chili Peppers schaffen es nach einigen Minuten Verspätung dann auch auf die große Bühne, die wie Arsch auf Klobrille zu passen scheint. Mit einer Free Jazz-Ouvertüre werden die ersten Minuten der fast zweistündigen Live-Show getiltet, die in „Can’t Stop“ vom 2002er Album By The Way übergeht und relativ nahtlos auch in „Dani California“. Die vielen Bass-/Gitarren-/Drum-Solos, in die eigentlich jeder Song mündet oder damit beginnt, konservieren anfangs noch einen gewissen Garagen-Jam-Session-Charakter, strapazieren mit der Zeit allerdings schlicht und einfach die Geduld. Bei aller Liebe zu Flea’s lockrufende Bassslams und Chad Smith’s Drum-Symphonien und dem familiärem Chit-Chat zwischen jedem zweiten Song, aber der Verdacht, dass sich Sänger Anthony Kiedis zwischen den virtuosen Soli-Battles backstage eine Line Koks einverleiben könnte, wurde dadurch nicht gerade aus der Welt geräumt. Und auch wenn Josh Klinghoffer meines Erachtens als äquivalenter Ersatz an der Gitarre für Frusciante herhalten kann, klingen die Songs mit den verzerrten Backing-Vocals eher schlecht als recht. Trotz all dieser Einräumungen überzeugt das Medley aus alten und neuen Songs mit vielen Zwischen-Jingles und Crossover-Jumpcuts und es spricht eigentlich für die Red Hot Chili Peppers, dass sie sich und ihr Publikum in 90% der Fällen auf so sympathische Art verarschen, wie es nicht einmal Jack Black zu träumen vermag.

Lea Biermann