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NEUIGKEITEN/AKTUELLES EINZELANSICHT

SO WAR: ROCK HARD FESTIVAL, 06.-08.06.2014, AMPHITHEATER, GELSENKIRCHEN

Früher fand der Startschuss zur Metal-Festivalsaison immer beim RH-fest im Ruhrpott statt. Mittlerweile ist das kultige Rock Hard Juni-Festival fast schon im zeitlichen Mittelfeld der Saison anzusiedeln. Wir schauen zurück ins Jahr 2014. Beim zwölften Fest gab es gewohnt ein hochkarätiges Feinschmecker-Line-up in der Schalke-Stadt zu hören. Wie immer Ausverkauft! Obwohl es im Vorfeld in der Redaktion des Rock Hard Magazins ordentlich gerappelt hat, lief die Organisation vor Ort wie am Schnürchen, wobei besonders die Security wiedereinmal lobend erwähnt werden muss. Ein Blick zurück von unserem Zenz und seiner Zenzi.
SO WAR: ROCK HARD FESTIVAL, 06.-08.06.2014, AMPHITHEATER, GELSENKIRCHEN
Blues Pills, Foto: Zenz


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So war das ROCK HARD FESTIVAL, 06.-08.06.2014, AMPHITHEATER, GELSENKIRCHEN

Freitag

Wie jedes Jahr fällt der Anfang hart aus. Die Mainzer Old-School-Thrasher von Nocturnal dürfen als erste Band auf die Bretter und die Sängerin Tyrannizer zeigt mit dem Opener „Perish In Darkness“ der Sonne erstmal trotzig den Mittelfinger. Ihr rumpeliger, schwarz eingefärbter Thrash Metal wird mit Wucht vorgetragen und macht richtig Laune. Zwar geht der Frontkreische gegen Ende des Sets etwas die Luft aus, aber das Kollektiv macht mit Authentizität und äußerst geschmackssicheren Shirts die Stimmschwächen locker wett. True to the Core!
Die Münsteraner von Zodiac bieten danach mit ihrem bluesigen, Jamsession-artigen Retrosound ein interessantes Kontrastprogramm, passen damit perfekt zur schwülen Hitze und haben spätestens mit dem Neil-Young-Cover „Cortez the Killer“ den Großteil der Anwesenden im Sack.
Harte Musik aus Polen steht für Qualität. Zwar stehen Decapitated (hinter Vader und Behemoth) nur in zweiter Reihe, dort nehmen sie allerdings die Führungsposition ein. Ihr moderner, technischer, oft auch grooviger Death Metal kommt hier und heute leider nicht bei allen Zuhörern gut an. Am Engagement der Band kann’s allerdings nicht liegen, denn die haut richtig ins Mett und liefert einen äußerst intensiven Auftritt.
Noch deutlich vor Mitternacht steht dann die wohl kultigste Band des Wochenendes auf den Brettern. Midnight – die Kapuzenmänner aus Chicago – zelebrieren alte Venom, Motörhead und Tank auf ihre eigene, sympathisch-kaputte Art und Weise. Natürlich stumpf, roh und kein bisschen originell, aber der chaotische Haufen macht einfach Spaß. Schöngeister wenden sich angeekelt ab, alle anderen werden ausgezeichnet unterhalten. Schade, dass der Rausschmeißer „Violence On Violence“ bereits deutlich vor Ende der anberaumten Spielzeit ertönt.
Schon komisch: Ich kenne persönlich keinen Menschen, der Die Apokalyptischen Reiter gut findet – trotzdem ist immer die Hölle los, wenn diese loslegen. Neuerdings verzichten sie wenigstens auf optischen Schnickschnack, wodurch man sich deutlich besser auf die Musik konzentrieren kann und muss. Aber nach 75 Minuten beschleicht mich erneut das Gefühl, dass wir in diesem Leben wahrscheinlich keine Freunde mehr werden.
Danach ist Schluss mit Gänseblümchen, denn der Freitags-Headliner hört auf den klangvollen Namen Triptykon und hat vor kurzem mit „Melana Chasmata“ ein Monster von einem Album veröffentlicht. Tom Warrior und seine Mitstreiter bleiben der Anhängerschaft auch heute nichts schuldig: tiefgründig, wuchtig und von böser Erhabenheit entfachen sie einen zähen, schwarzen Lavastrom, der alles und jeden mitreißt. Und immer kurz bevor sich jemand aufhängt, lockert eine Nummer von Hellhammer und Celtic Frost die Anspannung etwas auf. Dass das nicht alle Besucher bis zum Schluss der Show aushalten, liegt in der Natur der Sache: Triptykon sind anstrengend, fordern dich heraus, lassen dich völlig hilflos zurück. Allerdings – und das unterscheidet sie von Combos wie den Reitern – im positiven Sinne. Für mich die Band des Festivals.

Samstag

Es gibt Coverbands, die mit – gähn! – „Living after Midnight“ und „Highway to Hell“ jedes Bierzelt im Sturm nehmen. Genau deswegen spielen solche Combos auch in Bierzelten. Und dann gibt es Bands wie Roxxcalibur, deren Setlist auch heute wieder der feuchte Traum eines jeden NWOBHM-Kenners sein dürfte. Ohne Abschlussprüfung geht hier allerdings nichts, denn Nummern von Demon, Grim Reaper und Jameson Raid sind noch die bekanntesten Stücke. Gelungener Einstieg!
Auch die jungen Schweden Screamer setzen auf die alte Schule, sowohl musikalisch als auch optisch (sehr schön übrigens die Pornobalken vom Frontmann und vom Schlagzeuger). Ihr flotter, traditioneller Heavy Metal ist dem ihrer Landsmänner von Enforcer recht ähnlich, wobei sie die Klasse der großen Brüder noch lange nicht erreichen. Das liegt heute v.a. am teils wackeligen Gesang von Oskar, der – das muss man ihm zugute halten – allerdings erst ein paar Wochen der Band angehört.
Egal, vor oder nach welchen Bands Sólstafir auf die Bühne müssen – die Isländer überzeugen immer und überall. Ihr eigenwilliger (und völlig eigenständiger) Mix aus Black Metal und psychedelischem Rock nimmt die Zuhörer mit auf eine hypnotische Reise. Die Länge der Songs (ganze vier Stück in 45 Minuten) tut ihr Übriges dazu: Man kann herrlich versinken in diesen Mammutwerken, und für einen Moment vergisst man sogar die drückende Hitze um einen herum und meint, einen eiskalten Luftzug im Gesicht zu spüren. Großartige Band!
Für das Kontrastprogramm danach sind die älteren Herren von Pretty Maids zuständig. Ältere Herren? Am Arsch! Nicht nur die letzten Studioalben sind mit Power gesegnet, auch auf der Bühne macht den Dänen so schnell keiner was vor. Allen voran hat Bassist Shades heute scheinbar Flummis gefrühstückt und springt rum wie ein Irrer. Solange sich die Jungs dermaßen stark präsentieren, hat die Bezeichnung „Danish Dynamite“ auf jeden Fall Bestand.
Die Florida-Death-Legende Obituary machte den Fans bereits im Vorfeld mit der Ankündigung einer Old-School-Setlist den Mund wässrig. Und tatsächlich konzentriert sich der Fünfer fast ausschließlich auf Songs der ersten drei Alben, was die zahlreich anwesenden Death-Metal-Anhänger ohne Anlaufzeit zum Ausrasten bringt. Unglaublich druckvoll, unglaublich exakt (der Drummer!), unglaublich geil. Neben all den Klassikern gibt es als Bonus auch zwei Nummern vom kommenden Album zu hören, die durchaus Hoffnung auf eine starke Platte machen.
Das Beste an den Arizona-Thrashern Sacred Reich ist mit Sicherheit die Tatsache, dass man keine neuen Songs fürchten muss. Die Jungs weigern sich beharrlich, einen neuen Longplayer einzuhämmern, sondern konzentrieren sich lieber auf ihre hervorragenden Live-Qualitäten. Der Überraschungseffekt gegenüber dem ersten Auftritt an selber Stelle (2009) fehlt heute zwar, aber trotzdem steht das komplette Amphitheater während dem ganzen Gig Kopf. Wieso man bei so viel geilem eigenen Songmaterial jedoch gleich auf zwei Black-Sabbath-Cover setzt und obendrein die Spielzeit nicht ausnutzt, geht mir nicht ein. Trotzdem gilt: Thrash with Class!
Die Reunion der englischen Death/Grind-Legende Carcass war eine gute Sache. Nach einer superben neuen Platte kann man das Abrisskommando also endlich auch wieder auf der Bühne erleben. Das weite Rund ist folglich packevoll, auch wenn viele der Anwesenden nach Obituary und Sacred Reich keine Energiereserven mehr übrig haben. Das merkt auch die Band, die hier ein hartes Stück Arbeit zu erledigen hat. Am Ende reicht’s trotz allem für viele zufriedene Gesichter, und wer kann sich dem Charme eines Songs wie „Keep on Rotting in the Free World“ schon entziehen? Eben!

Sonntag

Die einzige Abkühlung in Form eines Regenschauers gibt es – wie passend – während dem Auftritt der Hanseaten von Iron Savior. Der sorgt dafür, dass sich viele der Anwesenden direkt unter dem Dach vor der Bühne drängen. Gut für Piet Silck und seine Mannen. Noch vor dem ersten Kaffee sind mir persönlich die Nummern allerdings eine Spur zu fröhlich.
Tja, und dann passiert das Unglaubliche. Es gab Legionen von Newcomern, um die ein riesen Hype gemacht wurde – bei den meisten davon blieb am Ende nichts als heiße Luft. Die Multikulti-Truppe Blues Pills allerdings hat in der Tat etwas beizutragen. Noch vor der Veröffentlichung eines Longplayers (den gibt’s erst Ende Juli) brachten sie bereits unzählige Clubs zum Kochen, und heute beweisen sie, dass sie auch die großen Bühnen rocken können. Obwohl sie mit ihrem Blues-Soul-Retro-Rock die Exoten im Billing sind, dauert es nicht lange, bis sie die Zuschauer in ihren Bann ziehen. Die Band steigt ruhig in ihren Set ein, arbeitet sich dann langsam zum Höhepunkt vor (natürlich der Hit „Devil Man“ – hier gibt es sogar Szeneapplaus), nimmt unterwegs alle mit und lässt am Ende ein zufriedenes, beseeltes Publikum zurück. Wenn die drei Jungs und das Mädel ihren Weg gehen, steht uns noch Großes bevor, da bin ich mir sicher.
Die Israelis Orphaned Land sind gut drauf, ihr Oriental Metal passt super zu den hohen Temperaturen und die Fans lassen sich gerne anstecken. Kobi Farhi ist ein toller Frontmann, die aktuelle Platte „All is One“ stark und peinliche Bauchtänzerinnen verkneifen sie sich heute auch. Macht unterm Strich einen überzeugenden, kompakten Gig. Als Gastmusiker bei „Brother“ und „Birth of the Three“ entert übrigens Markus Siepen von Blind Guardian die Bühne. Nette Überraschung!
Einige Leute sehen die Finnen Insomnium im musikalischen Umkreis von Amorphis oder Sentenced. Ähm... nein. Die Musiker hängen sich zwar ordentlich rein und können optisch mit einem riesigen Backdrop punkten – das war’s dann aber auch schon.
Danach ziehen süßliche Rauchschwaden durch das Amphitheater... quasi das Intro zu Monster Magnet. Ich hatte Dave Wyndorf und seine Jungs lange nicht mehr auf dem Zettel, bin heute aber restlos begeistert. „Superjudge“, „Dopes to Infinity“, „Powertrip“ und natürlich „Spacelord“ – da kann wirklich nichts schief gehen, selbst wenn man sich im einen oder anderen Moment diverse Hilfsmittel wünscht, um dem Trip folgen zu können.
Zackiger geht’s danach bei Annihilator zur Sache, die bereits auf der letzten Tour überzeugen konnten. Natürlich kann bei über einem Dutzend Studioalben nicht jedes berücksichtigt werden, aber über die heutige Setlist kann wirklich niemand meckern. Zudem hat Jeff Waters mit Dave Padden seit mittlerweile über zehn Jahren endlich einen konstanten, gleichwertigen Partner in der Band, der seine Sache wirklich gut macht. Und dem Meister selbst bei der Arbeit zuzusehen ist natürlich immer ein Augen- und Ohrenschmaus.
Tesla polarisieren wie keine zweite Band an diesem Wochenende, obwohl eine Portion Hard Rock eigentlich eine gute Gelegenheit wäre, zwischen zwei Thrash Bands nochmal durchzuschnaufen. Aber auch an mir geht der Auftritt der Amis irgendwie vorbei. Vielleicht wären sie früher am Tag besser aufgehoben gewesen?
Der ursprünglich geplante Headliner Megadeth sagte wegen einem Todesfall im Bandumfeld kurzfristig ab. Schade, denn viele Besucher hatten sich auf die Band gefreut. Als Ersatz stehen Testament auf den Brettern, die mit der traumhaften Rhythmus-Sektion Gene Hoglan/Steve DiGiorgio auflaufen. Auch die Setlist passt, die Jungs knien sich ordentlich rein und haben offensichtlich richtig Bock auf Spielen. Leider ist der Sound oftmals sehr zerfahren, der bei allen anderen Bands am Wochenende gut bis hervorragenden war. Folglich sollten Testament ihren Mischer mal in den Urlaub schicken. Dessen Unvermögen ist wahrscheinlich auch der Grund für einige verpatzte Einsätze von Sänger Chuck Billy, übrigens nicht zum ersten Mal. Auch wenn einige Leute jammern – ich hab trotzdem jede Menge Spaß am rumpeligen Set und bin am Ende des Abends mit der Ersatzlösung mehr als zufrieden.

Jens Reinhold