MIKE & THE MELVINS
THREE MEN AND A BABY
SUB POP / CARGO
Ich hätte da mal einen schönen Knallfrosch für das
Verblödungsfernsehen, speziell Gossip-TV „Dschungelcamp“. Als
Prüfung für die nächste Staffel in einem geschlossenen Raum
ohne Fluchtmöglichkeit ›Three Men And A Baby‹ am Stück hören
statt Wolfszitzenchips oder Zaunköniglebern essen.
Klapsen-Avantgarde-Noiserock und Geräusch vom feinsten, kam am
1. April über Sub Pop und ist mal wieder bestes Analysematerial
für Kunsthochschulen. Sogar ein Song wurde derartigen
Klang-Eliteschmieden für subventionierten Musikbetrieb
gewidmet. Warum Lost Tapes? Mike Kunka (godheadsilo, Enemymine)
und die Melvins hatten sich 1999 einmal zusammen auf Tour ganz
lieb und beschlossen ein gemeinsames Album zu machen. Bis auf
den Gesang war alles fertig aufgenommen, um das zu erledigen
nahm Kunka die Bänder an sich und verschwand aufgrund von
Heirat, Kindern, Hausbau, operativen Eingriffen,
Plattenfirmenbetrug, Instrumentenklau und ähnlich abgepfiffenen
Gründen für ein paar Jahre komplett von der Bildfläche. Jetzt
traf man sich wieder, Kunka hatte die Tracks digitalisiert und
alles wurde nun final fertig gemacht. Musik: Anstrengend und
experimentiell. Anspieltipps: ›Chicken 'n' Dump‹, durchaus
hörbar, der Rest des Albums geht oft an die Grenzen für
harmoniesüchtige Musikhörer als stilistischer Bastard zwischen
beiden beteiligten Bands. Das P.I.L.-Cover (›A Dead Pile of
Worthless Junk‹) spiegelt das kranke Material gut wieder. Was
erlaube Melvins? Wie soll der Fan noch zum schlafen kommen,
wenn sie beinahe stündlich neues Material veröffentlichen? Dies
mitgezählt wäre das ihr 36. Album!
4 von 9 Punkten
EF
MIKE & THE MELVINS
THREE MEN AND A BABY
SUB POP / CARGO RECORDS
(VÖ: 01.04.2016)
wartet zudem mit einer ziemlich skurrilen Entstehungsstory
auf. Ursprünglich hatte die Band sich 1999 zusammen mit ihrem
damaligen Bassisten Kevin Rutmanis und dem
godheadSilo-Bassisten/-Sänger Mike Kunka ins Studio begeben, um
ein Album mit drei Bass-Spuren (Buzz am dritten Bass)
aufzunehmen. Als das Album fast fertig war, bekam Mike Husten,
ging mit den Tapes nach Hause und ward bis kürzlich nicht
wieder gesehen. Man kann sich ja auch mal 16 Jahre lang nicht
so wohl fühlen oder andere Dinge zu tun haben. Irgendwie liefen
die roten Fäden dann aber letztes Jahr doch wieder zusammen,
und so konnten die verloren geglaubten Aufnahmen dann doch noch
veröffentlicht werden. Musikalisch ist das gleichermaßen schräg
wie heavy ausgefallen. Buzz und Mike wechseln sich bei den
Vocals relativ unvorhersehbar ab, bestes Beispiel ist der
Opener „Chicken’nʼDumplins“ der sich nach ein paar Durchläufen
als unerwartet penetranter Ohrwurm entpuppt. Und mit „Dead
Canaries“ ist sogar ein Stück dabei, das man ansatzweise als
Rap bezeichnen könnte. Insgesamt eher ein Album für
Advanced-Listeners, die auch ähnlich experimentelle
Kollaborationen mit Lustmord oder Jello Biafra zu schätzen
wussten.
6 von 9 Punkten
PS