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JON LORD IST GESTERN VERSTORBEN. IN GEDENKEN: .rcn-INTERVIEW MIT IHM AUS 2002

Viele haben es schon erfahren, wir möchten trotzdem auf einen großen Musiker hinweisen. Schon vor einigen Wochen mußte Jon Lord einen Auftritt in Deutschland absagen, seit April 2011 ist bekannt, dass er an Krebs erkrankt sei. Nun hat der Mann mit dem feinen englischen Humor den Kampf gegen den gnadenlosen Bauchspeicheldrüsenkrebs verloren und starb gestern am 16. Juli 2012 an einer Lungenembolie im Kreise seiner Familie. Das Gründungsmitglied von Deep Purple war immer Mittler zwischen Rock und Klassik und über die Hammondorgel darf ohne Erwähnung seines Namens eigentlich nicht gesprochen werden.
JON LORD IST GESTERN VERSTORBEN. IN GEDENKEN: .rcn-INTERVIEW MIT IHM AUS 2002

Wir haben noch das alte .rcn-Interview mit Jon Lord gefunden, das Martin Mai 2002 mit ihm führte, das ganze stand in Heft 64 Dezember 2002. Martin sagte damals, dass das "Gespräch mit Jon Lord eines der angenehmsten, unterhaltsamsten und respektvollsten war, daß ich je mit einem Musiker führen durfte." Punkt.

71 ist er geworden. Wer das Glück hatte, ihn in den letzten Jahren noch live zu sehen denkt an anspruchsvolle Musikabende. Zum Beispiel an den 21.11.2010, als er in der Philharmonie am Gasteig in München mit dem Filmorchester Babelsberg sein wichtigstes Werk aufführte. Er sagte es selber mit "Concerto - my Baby - for Group and Orchestra" an. Oder am 7. April in Roth, wo er mit seinem Bluesprojekt in der Kulturfabrik die 20. Rother Bluestage mit seinem Glanz versorgte.

Lord stammte aus einer Künstlerfamilie und begann mit Klassik auf dem Klavier. Dann fing es als Profimusiker mit Jazz an, bis er bei der Gründung von Deep Purple ins Psychedelicrock-Genre wechselte. Deep Purple beeinflußten den Hardrock maßgeblich. Nach der ersten Auflösung von Purple ging er mit Ian Paice zu Whitesnake, machte Soloalben oder fungierte als Gastmusiker in Rock, Blues oder Jazz.

Später stieg er bei den wiedervereinigten Purple ein, um sie 2002 entgültig zu verlassen. In Australien tauchte er dann plötzlich bei einem Blueskonzert der The Hoochie Coochie Men auf. Später führte er wie oben erwähnt "sein Baby" als Klassik-Konzert auf und spielte auch bei seinem Jon Lord Blues Project ncht wenige Gigs.

Gerade in den letzten Jahren wurden viele DVDs veröffentlicht, u.a. die vielen Aufnahmen aus der Montreux-Reihe von Eagle Vision, bei denen Lord an exponierter Stelle zu sehen war. Wir haben in unserem Archiv gekramt und ein paar extrem informative Filme und Tonträger gefunden. Und ein lesenswertes Interview mit ihm, das unser damaliger Redaktionshengst Martin Mai (heute bei der AZ Nürnberg) mit ihm führte. Hier also Interview und Mediatipps.

2007 kam die Hoochie-Live-CD, bei der neben Lord auch Jimmy Barnes in Australien auf die Bühne kam.

The Hoochie Coochie Man
Danger: White Man Dancing
edel records / edel

Schon allein der Albumtitel spricht Bände! Ist das nicht eine kleine Spur britischen Humors, wenn etwas gesetztere Musiker vom Unvermögen des weißen Mannes beim Tanzen sprechen? Diese gesetzten Musiker sind allesamt sehr relaxte Frührentner, die sich nichts mehr beweisen müssen und den musikalischen Bogen heraus haben. Zentralfigur ist der australische Bassist Bob Daisley, den mancher durch seine Zusammenarbeit mit Ozzy Osbourne, Uriah Heep oder Rainbow kennt. Er hat seit einiger Zeit sein Bluesprojekt Hoochie Coochie Man als Hobby am Start. Als alter Haudegen konnte er nun Jon Lord als Organisten für die neue Platte gewinnen, dazu schnell noch Ian Gillan und Jimmy Barnes als Gastsänger engagiert, und fertig ist eine hochkarätige Besetzung, die eine fantastische Bluesrockplatte eingespielt hat. Auch wer soliden Rock der früheren Purple-Jahre mag und nicht nur den gepflegten Blues anhimmelt, muss hier einfach zugreifen. Entspannte Musik von sehr entspannten Herren zum Entspannen. Das Tanzen überlassen die Herren den Jüngeren, denn Tanzbären gibt es genug in den Hitparaden, das hier ist etwas für den Plattensammler!

Für die zweistündige Interview DVD 2012 gab Roland leider nur drei Punkte:
MUSIK DOKU DVD
JON LORD
WITH PICTURES
EAR MUSIC/ EDEL, CA. 220 MIN.

Die Dokumentation versucht die eindrucksvolle und abwechslungsreiche Karriere von Jon Lord mittels Interview deutlich zu machen. Das fast zweistündige Interview (!) wird immer wieder aufgelockert, durch Konzertausschnitte. Die Konzertausschnitte sind aber nur jeweils ganz kurze Schnipsel, die Songs werden leider nur angespielt. So überwiegt zu deutlich das gesprochene Wort, auch wenn Jon Lord ein guter, humorvoller und manchmal ironischer Erzähler ist. Schade, denn Lord steht nicht nur für Deep Purple oder Whitesnake, sondern er ist auch einer der Wegbereiter der Kombination von Rock und Klassik. Das lange Interview ist ergänzt um zahlreiches Bonusmaterial, so dass die DVD insgesamt 220 Minuten lang ist. Doch auch beim Bonusmaterial kommt für meine Begriffe die Musik zu kurz, die Songs, Liveauftritte mit u.a. „The Hoochie Coochie“, „The Queensland Orchestra“, der australischen Band „George und The Royal Philharmonic Orchestra“, werden zwar ausgespielt, es sind aber insgesamt nur, wenn ich mich nicht verzählt habe, sechs Stück. Viel zuwenig für so einen begnadeten Musiker und Kompo-nisten, u.a. „Smoke on the water“, „Highway star“ oder „Child in time“ entstammen aus seiner Feder. Wer über 200 Millionen verkauften Alben auf seiner Agenda hat, muss einfach mehr musikalisch „zu Wort kommen“. ROHO   3

Zwei essentielle DVDs zeigen Lord von seiner humorvollen Seite, hier kurz Ausschnitte:
DEEP PURPLE (2008)
4 DVD SET „AROUND THE WORLD LIVE“
EAGLE VISION / EDEL

...opulenten 4er DVD Edition als das nicht ganz billige aber sehr schön aufgemachte ideale Geburtstagsgeschenk für den bekennenden Purple Fan. Die Box enthält ein von Joel McIver gestaltetes 32-seitiges Buch mit Fotos zu den jeweiligen Zeiten der auf den Scheiben enthaltenen Konzerte. ... DVD 3 dann das legendäre Konzert in Birmingham 1993, bei dem Jon Lord seinen Abschied feierte inklusive der rührenden Abschiedszene. Die letzte DVD schließlich bringt eine Dokumentation mit reichlich Blick hinter die Kulissen und so mancher Anekdote. Lord, der weißhaarige Dandy erweist sich als feinsinniger Humorist, wir sehen Purple bei einem Gig in einem Schweizer Skigebiet ... Langeweile kommt eigentlich nicht auf und das Auge erholt sich auf allen DVDs vom üblichen, blitzschnell geschnittenen Hektikfernsehen unserer Tage. Und man ist umfangreich über eine Horde englischer Gentleman mit ihrem amerikanischen Banjospieler informiert. Äußerst empfehlenswert! EF 8

DEEP PURPLE (2012)
TOTAL ABANDON – AUSTRALIA ’99
EAGLE / EDEL

... Die Haus- und Hofband des Labels, Deep Purple mit einer 13 Jahre alten Aufnahme aus Australien von der ersten Tour der Band mit Steve Morse an der Klampfe. Und: Jon Lord saß noch an der Hammond! Der Sound ist wirklich großartig, hier wurde nichts korrigiert oder nachbearbeitet, sondern alle Instrumente werden mit Herz gespielt und sind glasklar zu hören. ... Wer die Spannung der früheren Jahre statt den glatten Steve Morse-Spielfluss dieser CD bevorzugt, muss halt zum Blackmore’s Night Konzert gehen und sich den Man In Black auf seiner Mandoline anhören. EF  7

Und hier das Interview mit Jon Lord aus dem Jahre 2012 in der Urversion von Maitin Mai, noch bevor der damalige Cheffe MM darin herumgefuhrwerkt hatte: :-)

JON LORD – Good Bye Deep Purple – Hello Classsic
"Du bist in echten Schwierigkeiten, wenn Du an deinen eigene Bekanntheit glaubst."


Es gibt Sätze und  Fragen im  Leben eines Mannes, von denen man im Normalfall nur träumt. Sätze wie  der aus  dem AC/DC Song: „Schaff deinen verdammten Jumbo Jet runter von meinem Flughafen“. Oder: „Wieso hat sich mein Gärtner schon wieder meinen Maybach ausgeliehen?“ Etwas bescheidener, wenn auch nicht weniger beglückender ist da doch: „Spreche ich wirklich mit Jon Lord?“

Jon Lord und die Musik: Er war Mitbegründer und über 30 Jahre lang beständiges Mitglied von Deep Purple, die – mit anderen zusammen – die Rockmusik und den Hardrock erst geprägt haben. Jon Lord hat am 24. September 1969 zum ersten Mal Klassik mit Rock verschmolzen. An besagtem Tag traten nämlich sowohl Deep Purple als auch das Royal Philharmonic Orchestra in der Royal Albert Hall gemeinsam auf und spielten das von Lord komponierte Concerto For Group And Orchestra. Die Kritiken waren schlecht, das Publikum und die Fans dagegen haben das Concerto geliebt und lieben es immer noch. Zur Zeit wird nun das Werk auf vier verschiedenen Formaten, also CD, DVD, DVD –Audio und Super Audio-CD frisch remastered und remixed wieder veröffentlicht. „Eine Entscheidung der EMI“, wie Jon Lord an dem Nachmittag des Interviews betont. Er freut sich zwar darüber, daß man wieder über sein „Baby“ spricht, versteht den Grund dafür auch nicht so ganz genau.

Ach, und Jon Lord hat noch etwas für die Musik getan: Er hat den einfachsten, simpelsten, klarsten und genialsten Satz über Musik geschrieben, den man ja schreiben kann, und den sich sowohl Kritiker als auch Musiker in drei Meter hohen Lettern an die Wand schreiben sollten: „If the music doesn’t whisper in your ear, and help you to create your own image, then it has failed.“ Eine überflüssige Erklärung, daß das Gespräch mit Jon Lord eines der angenehmsten, unterhaltsamsten und respektvollsten war, daß ich je mit einem Musiker führen durfte – ein wahrer Gentleman saß da am anderen Ende der Leitung, der so groß ist, daß er seine Größe in keiner Minute zeigt. Anders gesagt: Zeigt mir einen Musiker von Weltrang, der sich am Ende eines Gespräches an den Namen des Interviewers erinnert...

Erinnerungen sind sowieso so ein Thema. Denn Jon Lord hat seine letzte Show bei Deep Purple gespielt und seinen endgültigen Ausstieg aus dem Rockzirkus erklärt. „Es war Zeit dazu. Der kommende Abschied war während der letzten Jahre immer deutlicher zu spüren. Ich wollte mehr Zeit für mich, meine Familie, fürs Musik schreiben. Und Deep Purple, der Rest der Band, wollten weiterhin touren und auftreten, was gut ist. Aber es ist nicht das, was ich mir für meine Karriere vorstelle. Ich habe eine Punkt in meinem Leben erreicht, und das hat jetzt nichts mit dem Alter zu tun, sondern mit meiner Karriere, an dem ich etwas anderes machen muß. Ich habe ein großes Bedürfnis danach, ein Verlangen, so viel zu schreiben wie möglich. Also mußte ich eine sehr schwierige Entscheidung treffen: Ein Band zu verlassen, die für mich eine Unterstützung während der letzten 30 Jahre war. Und mein guten, sehr engen Freunde sind. Klar werde ich Purple vermissen - ich hatte eine fantastische Karriere mit einer fantastischen Band und großartigen Leuten. Aber es ist Zeit weiterzugehen.“

Eher das Gegenteil von weitergehen ist die Wiederveröffentlichung des über dreissig Jahre alten Concerto. Ist man nach so langer Zeit immer noch zufrieden oder möchte man lieber etwas ändern? „Weißt du, wenn wir durch unser Leben gehen würden und die ganze Zeit versuchen würden, all die Dinge, die wir getan haben zu ändern, würden wir nie etwas Neues machen können. Ich habe mir das Concerto 1999 wieder vorgenommen, als wir es noch einmal geschrieben haben. Ich habe ein paar kleine Dinge in der Orchestrierung geändert, aber das ist alles. Ich denke, es ist wichtig, daß etwas ein Teil seiner Zeit  bleibt. Und wenn es immer noch mit einer Stimme zu den Leuten spricht, die sie verstehen, um so besser. Aber es sollte in seiner eigenen Stimme zu den Leuten sprechen, und nicht verändert werden um dem Trend zu gefallen. Ich denke es war ein gutes Stück, es hat damals gut geklappt. Und es klingt immer noch gut und frisch und interessant. Ich bin sehr, sehr stolz darauf.“

Als es ursprünglich veröffentlicht wurde, ist das Concerto von der Presse ziemlich zerrissen worden. Wie verarbeitet man so etwas? „Das ist eine interessante Frage - Kritik ist nie leicht zu verkraften. Denn was kritisiert wurde hängt ja eng mit dir zusammen. Und nicht alle Kritiken waren schlecht. Also entscheiden sich Musiker generell dazu, den Guten zu glauben, und die Schlechten zu bezweifeln. Aber jemand sagte mal: Ein Kritiker ist jemand, der nicht fahren kann, dir aber beibringen will, wie man fährt. Ich lese sie, ich höre ihnen zu, und dann setze ich mein Leben fort.“ Trotzdem daß Jon Lord sich von Deep Purple zurückgezogen hat, macht er weiterhin Musik.

Aber eben klassische Musik mit einem kleinen Orchester, mit  dem er nächstes Jahr auf Tour nach Deutschland kommen will. Eine Sache mehr, die die treuen Jon Lord Anhänger fanatisieren wird. „Es gibt da so einen schönen Satz: Du bist in echten Schwierigkeiten, wenn Du an deinen eigene Bekanntheit glaubst. Ich weiß worin ich gut bin. Ich weiß was ich tue. Ich bin sehr zufrieden mit meinen Fähigkeiten. Und andererseits lerne ich immer noch. Sehr viel. Dauernd. Und ich nehme mich nie zu ernst – zum Beispiel sehe ich nicht in den Spiegel und sage: Oh mein Gott, Jon, Du bist ein Genie (lacht). Ich mache was ich mache. Und  manche Menschen mögen es und viele Leute reagieren darauf sehr angetan und loben mich und das ist natürlich wundervoll, das zu hören. Aber das darf man nicht zu ernst nehmen. Ich kann das auch nicht zu ernst nehmen. Ich bin dankbar dafür, daß die Leute gut von mir denken, und mache weiter.“

Martin Mai (2002)