Bei RIP 2013 erkennt man einen kleinen Trend zur
Entblößung. Junge Burschen laufen halb nackig, nur mit
einer Socke über den Schniedel bekleidet durch die Gegend
und lassen sich feiern, während Musiker grundsätzlich mit
halbnacktem Oberkörper auf die Bühne gehen, siehe Biffy
Clyro.
Wir stiegen bei den letzte Takten Stereophonics ein, die
mit ihrem überraschend abwechslungsreichen neuen Album
"Graffiti On The Train" halbwegs zu überzeugen wußten. Die
Waliser machen auf der mal ausnahmsweise nicht den immer
etwas langweilig-melancholischen Poprock, sondern liefern
durchaus auch einmal düstere oder mit Streichern
arrangierte Songs ab. Zum Hüpfen bringen sie das Publikum
natürlich immer noch nicht.
Ihm ging es gerade nicht so gut: ein kleiner
FreiWild Fan wird vom Sani versorgt.
Airbourne auf der Hauptbühne hingegen machten keine
Gefangene. Ihr einfach zu verstehender AC/DC-Klonrock riß
einfach alle mit und sorgte für relativ frühe Stimmung auf
dem großen Feld.
Biffy "fucking" Clyro hingegen spielten ihr erstklassiges
neues Album "Opposites" fast durch, zumindest die Hits, und
diese Platte hat haufenweise davon. Spieltechnisch erste
Sahne, zeigten die Schotten viel blasse Haut, also typisch
für Bewohner der britischen Inseln, die ja bekanntlich im
Sommer nur in blaß oder krebsrot durch Sonnenbrand zu sehen
sind. Die Hingabe mit der Sänger Simon die herzzerreißenden
Prog-Indiepop-Stücke der neuen Platte intonierte, sorgte
für einige feuchte Augen vor Rührung im Publikum. Für mich
das Tageshighlight. Schön auch das häufige Einstreuen von
"fucking" in jedem Satz bei den Zwischenansagen...
Biffy "Fucking" Clyro
Tocotronic folgten hernach auf der Alternastage. Da sie ja
bekanntlich keinen Stadionrock zelebrieren, war ihr
Auftritt natürlich nur etwas für gebildete Musikfans.
Abseits aller Verdienste um die Hamburger Schule wirkte die
Band aber auf so einem Festival mit derartigen Billing sehr
deplatziert. Dirk von Lotzow bekommt graue Haare, die Band
trägt keine Trainingsjacken mehr und ihre Instrumente sind
schon betont häßliche, sehr seltene Stromgitarren.
Stimmlich überzeugte von Lotzow nicht gerade, die Band
vollstreckte ihr Programm aber routiniert bis zum Schluß.
Auch 2013 werden wieder Schilder hochgehalten...
der Deutsche an sich braucht halt immer Ansagen.
Dann war für mich noch Newcomerzeit in der Clubstage. Hanni
El Khatib war angesagt, der US-Amerikaner spielte mit
seiner Begleitband eine krasse Mischung aus Garage,
Retrorock, Rock'n'Roll und Indie. Die Band begann mit etwas
ruhigeren und verqueren Songs und steigerte sich mit jedem
neuen Song mehr Richtung Groove und Geschredder. Die
flotten und schön monoton groovenden Stücke gingen in die
Beine wie nichts gutes und es fiel schwer, Vergleiche zu
anderen Bands zu finden. Fast so wie Hellacopters mit einem
Schuß Stoner und viel Rock'n'Roll. Aus der Zeit stammten
auch ihre museumsreifen Instrumente, und da die folgenden
Clutch ja auch unbequeme Musik machten, fanden die Amis
hier sicher einige neuen Freunde.
Ewald Funk