SCORPIONS, WILLY SACHS STADION, SCHWEINFURT, SAMSTAG
    16.07.2011
     
     Schon vor dem Konzert wimmelt es auf dem Stadionvorplatz von
    beleibten Altrockern, graumelierten Endfuffzigern und
    verwelkten Hard Rock-Tussis, die sich noch mal ins alte Korsett
    gezwängt haben. Man kleidet sich in Leder, auf dem Rücken trägt
    man Tourdaten aus den Achtzigern und auf der Nase
    Designerbrillen von Fielmann. Im Stadion selbst herrscht
    Sicherheitsstufe eins: Kameras sind strikt verboten. Am Eingang
    werden Taschen und Rucksäcke penibel durchsucht. „In dieser
    Beziehung sind die Scorpions wie die Stasi“, sagt ein
    Mitarbeiter von Argo Konzerte und will nicht zitiert werden.
    „Die durchforsten nach der Show auch das Internet nach
    illegalen Aufnahmen aus dem Publikum.“ Nur die bei der Band
    direkt akkreditierten Fotografen sind zugelassen. Nach der
    ziemlich langweiligen Vorband Edguy geht’s pünktlich um 20.15
    Uhr los.
     
     Zur besten Sendezeit von Familienshow wie Wetten dass…?, Wer
    wird Millionär? Oder Schlag den Raab! startet auch die
    Familienshow der Scorpions. 15.000 Zuschauer jubeln, als Klaus
    Meine, Rudolf Schenker & Co. die Bühne entern. Meine mit
    typischer Leder-Schlappmütze, Schenker mit blondierter
    Kurzhaarfrisur und futuristischer Sonnenbrille. Live lassen die
    Hannoveraner Hardrocker kein Klischee aus: synchrones Wiegen
    der Gitarristen, Pete-Townsend-Gedächtnis-Armkreisel, ständiges
    Herausdeuten von einzelnen Fans im Publikum. Absoluter König in
    der Disziplin albernes Posing ist der britische Schlagzeuger
    James Kottak, der auf seinem Drumpodest auf- und abfährt wie
    der VfL Bochum zwischen den beiden Bundesligen, die Zuschauer
    mit einem schier endlosen Schlagzeugsolo belästigt und ständig
    signierte Drumsticks in die Menge pfeffert. Es gibt aber auch
    Lichtblicke: Die Stimme von Klaus Meine klingt erstaunlich
    frisch und als Gitarrist Matthias Jabs die Mouth Box auspackt,
    gibt es ein Wiedersehen mit einem lange vermissten Effektgerät.
    Dazu gibt’s Pyroeffekte satt und Flammenwerfer am Bühnenrand.
    Dort wo normalerweise der FC 05 Schweinfurt seine
    Bayernliga-Heimspiele austrägt, müssen die Scorpions-Fans lange
    auf die ganz großen Hits warten. Abgesehen von „Bad Boys
    Running Wild“ oder „Holiday“ kommen Megaseller wie „Still
    Loving You“, „Big City Nights“ oder „Rock You Like A Hurricane“
    erst zum Finale. Selbstverständlich auch das unvermeidliche
    „Wind Of Change“, das alte und junge Fans versöhnt. In der
    Ansage verrät Klaus Meine, dass die Scorpions in den Siebziger
    schon einmal in Schweinfurt gespielt haben, damals in einem
    Club für GIs in der benachbarten Kaserne. Außerdem hatte die
    Band mit Jürgen Fechter in den Siebzigern auch einen
    Schlagzeuger, der aus Wildflecken in der Rhön stammt.
     
     Von der nach außen demonstrierten Harmonie unter den Musikern
    ist übrigens hinter den Kulissen wenig zu spüren. Gerüchteweise
    haben sich die Scorpions privat schon lange nichts mehr zu
    sagen. Die Musiker kommen getrennt in Limousinen, schlafen in
    separaten Hotels und sind kurz nach dem Konzert wieder
    verschwunden. Um 22.18 Uhr gehen sie von der Bühne, um 22.19
    Uhr sitzen sie in ihren Edelkarossen und rollen eine Minute
    durchs Stadiontor. Draußen sind viele Fans ziemlich sauer, weil
    die Band auf ihrer Abschiedstournee gerade mal 90 Minuten
    spielt und dafür über 70 Euro pro Ticket verlangt. Deutschlands
    erfolgreichste Rockband hatte im Januar 2010 angekündigt, sich
    unwiderruflich aufzulösen und danach eine zweijährige
    Farewell-Tournee gestartet, um sich nach über 40 Jahren
    Bandgeschichte von ihren Fans zu verabschieden.
     
     Wolfram Wolle Hanke
 
NEUIGKEITEN/AKTUELLES EINZELANSICHT
SO WAREN DIE SCORPIONS, WILLY SACHS STADION, SCHWEINFURT AM 16.07.2011
Unser geschmacklicher Multilinguist Wolle Wollrahm wieder einmal auf der Spur von Legenden! Diesmal Legenden der Hutmode! Die Scorpions haben das Baseballkäppi im Hardrock salonfähig gemacht. Wo andere mit Haarteilen operierten, setzten sie der ganzen Sache einfach den Hut auf. Ihre Abschiedstournee findet mittlerweile kein Ende und jede Region in Deutschland wird lückenlos bedient. Trotzdem, Spaß hat es gemacht, lest selber Wolframs Bericht:
 
Foto: Steve Jennings


