IN EXTREMO
KUNSTRAUB
VERTIGO / UNIVERSAL
Ein ganzer Festivalsommer ohne einen einzigen
In-Extremo-Auftritt: Schon seltsam bei den tourwütigen
Berlinern. Wenn bei einer solchen Auszeit aber ein Album wie
„Kunstraub“ herauskommt, dann darf das gerne Standard werden.
Jeder Song geht ab, reißt mit und bleibt im Ohr. Bei „Lebemann“
muss ich dann zum ersten Mal stutzen: Nicht, weil das Lied mit
genau der richtigen Mischung aus Rock’n’Roll, fein dosiertem
Dudelsack und Text zum Mitsingen abgeht. Sondern weil da
plötzlich getrommelt wird, als ginge es um’s Ganze: Drummer
Specki schraubt am Tempo, überfällt dann mit Punk-Rhythmus und
setzt zu guter Letzt sogar eine Double Bass ein. Das Ergebnis
ist genial – bitte mehr davon! Zwar ohne schlagzeugtechnische
Experimente, aber genauso wohlüberlegt arrangiert bleibt es das
ganze Album über. Die ganz großen, mitreißenden Dudelsack- und
Harfenmelodien sucht man etwas länger – zumindest beim ersten
Hören. Sie sind nämlich durchaus noch vorhanden, aber fast
immer mit Gitarre und Schlagzeug unterlegt. Dadurch treten sie
etwas in den Hintergrund, im Gesamten ergibt sich aber eine
ganz neue Dynamik: Weniger Mittelalter, mehr Rock. Es gibt
sicher Fans, die das doof finden, so wie immer gern gemeckert
wird, wenn eine Band es wagt, sich weiter zu entwickeln. Das
wissen auch In Extremo und kontern im zweiten Song: „Wir
schauen nur nach vorne... Und wir laufen über Wege ohne Namen“.
Richtig, es ist ihr ganz eigener Weg, den In Extremo
gehen und schon immer gegangen sind. Und für jeden
Die-Hard-Mittelalterfan, der über „Kunstraub“ meckert, kann man
mit dem Album zwei neue Fans gewinnen. Keine Frage: Das Album
wird auch live zünden, es ist alles dabei, was dazu nötig ist.
„Kunstraub“ ist mitreißend, nachdenklich, dreckig, es gibt
Songs zum Mitsingen, mitgrölen und Feuerzeuge (oder neuerdings
Smartphones) auspacken. Kann man echt nicht meckern!
KS
8 von 9 Punkten