Da will man mal ein paar gute Bands ins Dorf holen und mir
nichts, dir nichts sind 20 Jahre vorbei. RIW feierte 2014
Jubiläum: Zum 15. Mal laden die Veranstalter ins Waldstadion
Neuensee. Und wie das so ist am Ehrentag, man haut auf die
Kacke. Nicht ein, sondern zwei Konzerttage gab es 2014 (zum
ersten Mal wieder seit 2007). Das freut natürlich auch die
Auswärtigen, denn lange sind die Zeiten vorbei, in denen
Fränkisch die einzige Festivalsprache im Ort war.
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Wenn die Jungs von Graveyard sich ein Glas Jacky im
Vereinsheim gönnten, wenn man spontan dann doch über Nacht
blieb (Autorückbank geht immer), wenn der einzige technische
Fehler war, dass man mal verpennt hat, das das Mikro einfach zu
war und nicht das Kabel defekt... dann war es Rock im Wald
2014. Zum 15. Mal und genau so lohnenswert wie immer,
vielleicht sogar doppelt so schön, denn zum Jubiläum gab es
zwei Festivaltage.
Um die 1000 Besucher hatten sich schon am Freitag eingefunden,
zugegeben, ich erst zu Black Spiders, da war
die Stimmung auf jeden Fall prächtig. Auch wenn man an diesem
Tag verschmerzen musste, das Useless ID aus Israel nicht
auftreten konnten, weil der Flieger ob der politischen Lage im
Land einfach nicht flog. Mit Freude vertreten wurden Useless
aber von Mandrax Queen. Red
Fang waren definitiv ein würdiger Headliner für den
Abend, nichts anderes war zu erwarten. Die Männer aus Portland
haben sich so gleich mit dem heimischen Bier gemein gemacht, ja
das fränkische Gebräu sogar auf T-Shirt und Käppi getragen. Was
Rock im Wald eigentlich ausmacht, lässt sich kaum beschreiben,
na ja vielleicht so: Die erfolgreichen Red Fang (tourten schon
mit Mastodon und Megadeth) machten Tourstart im Wald und ließen
sich ihre Merchandise Pakete direkt nach Neuensee schicken. Wer
nahm die 20 Pakte entgegen? „Meine Mama“, hat mir
Mitveranstalter Oliver Neumann persönlich erzählt.
Tag zwei beginnt für die friedlichen Camper immer mit
Frühstück der Fußball-Mädels, danach erstmal Musik aus der
Heimat: Sumosluts aus Bamberg, alle sind wach.
Im Laufe des Tages kommen noch mal 300 Festivalfans dazu, etwas
zäh die Feierlaune noch bei The Gogets und
December Peals, die Bands hatten aber
Verständnis. Endgültig ausgekatert sind dann alle bei
Powder For Pigeons, der für viele
überraschendste Gig des Tages, weil noch besser als gedacht.
Die beiden Alben gehen für 5 Euro das Stück im Merchzelt auch
weg wie drei im Weckla.
Dann schon ein schweden Retro-Vorgeschmack mit
Vidunder. Wolfram „Wolle“ Hanke und ich sind
uns nicht ganz einig, Gemeinsames Fazit: Kann man mögen! Muss
man aber nicht. Cowboys And Aliens zeigen dann
kein Pardon, lässt sich nur mit einem Wort beschreiben: Fett.
Dann übernehmen die Schweden komplett: Bombus
sind für viele neben Powder For Pigeons die Entdeckung des
Abends, die meisten sehen sie zum ersten, aber sicher nicht zum
letzten Mal. Definitiv Lemmys Enkel.
Truckfighters liefern wie immer 100 Prozent
ab, die Band ist und bleibt genauso eigenwillig wie gut,
verkörpern für mich wie keine andere Band die aktuelle Stoner
Szene in Europa. Und dann diese Künstler, diese großartigen
Graveyard: Top Sound, musikalisch
unübertroffen an diesem Wochenende und trotz Regen, DAS
Highlight.
Anika Wiesbeck
Wolles Bericht:
Freitag Nachmittag. Die Arbeit ruft. Sie beißt, sie kratzt,
sie klammert sich an meinem Bein fest. Und als ihr eiserner
Griff langsam nachlässt, flüchte ich aus dem Büro, hechte in
mein Auto und trete das Gaspedal voll durch. Fahrtrichtung
Lichtenfels. Nach 130 Kilometern spuckt mich die Karre auf
einer Pferdekoppel wieder aus. Endlich da! Rock im Wald hat
mich wieder! Das kleine sympathische Festival auf dem
Sportplatz des VfB Neuensee. Wo sich die Bands in den
Mannschaftskabinen umziehen, die Bühne auf der Rückseite des
Sportheims steht und im Strafraum Bier ausgeschenkt wird. Das
Programm ist schon in vollem Gange. Den Anfang haben
Wulfpack gemacht, die Metal-Band, in der der
16-jährige Sohn von Rawside-Sänger Henne am Schlagzeug sitzt.
Abgesagt haben leider Useless ID - mein heimlicher Favorit bei
Tageslicht. Die Punkband kommt aus Israel und kann wegen des
militärischen Konflikts im Gaza-Streifen nicht ausweichen.
Schade!
Und auch Atlas Losing Grip haben schon ihr
Pulver verschossen, als ich durch die Eingangskontrolle gehe.
Dass die Jungs aus Schweden gut ankamen, sieht man an der Zahl
der verkauften Shirts. Ich steige ein ins Programm mit
Black Spiders. Dreckig gespielter Rock'n'Roll
aus Sheffield mit Fuck You-Attitüde und viel Dampf. Das
Publikum honoriert die Energieleistung der Briten. Überhaupt
scheinen die meisten Gäste wegen der Musik gekommen zu sein.
Kein bescheuertes Event-Publikum wie bei Rock im Park, das sich
ständig selbst feiert. Keine Deppen in Morph-Suits oder
Bärenkostümen, die nur auf Selfies aus sind. Mit Bierbauch,
Bart und Tattoos geht man hier absolut in der Masse unter.
Jeder lächelt, grinst oder strahlt. Die Trefferquote an guten
Bands ist enorm, selbst wenn man sie nicht kennt.
Headliner am Freitagabend sind Red Fang aus
Portand / Oregon. Man kennt die Jungs durch ihr geniales
Dosenbier-Video auf Youtube. Die Amis sind gewaltig, punktgenau
und dissonant. Ein bisschen Nomeansno, ein bisschen Mastodon
und ab und zu ein bisschen Helmet. Vor dem Gig geben sich alle
Bandmitglieder noch mal artig die Hand, dann geht es los. Die
Jüngsten sind Red Fang sicher nicht mehr, aber mit der
Konkurrenz bei Rock im Wald können die Jungs aus Portland
locker mithalten. Der Rest geht in flüssiger Unterhaltung
unter. In der Bar regiert derweil die Turbojugend
Lichtenfels.
Der Samstag startet für mich mit Gogets aus
Wien. Die vier Jungs können mit anderen, sehr erfolgreichen
Landsleuten wie Ja, Panik oder Bilderbuch nicht mithalten.
Gogets bieten ziemlich gewöhnlichen, langweiligen Rock. Im
Gedächtnis bleiben ziemlich klägliche Versuche, das Publikum
zur Mittagszeit zum Mitmachen zu animieren: "Wenn alle
Deutschen auf dem Sportplatz immer nur sitzen würden, wären sie
bestimmt nicht Weltmeister geworden!" Danach folgen mit
December Peals, Nachbarn der Donots aus
Ibbenbüren. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen.
Mein Interesse erwacht erst, als Powder For
Pigeons auf die Bühne kommen. Ein Mann spielt Gitarre
und singt, eine Frau spielt Schlagzeug. Rhys Jones und Meike
Hindemith sind so etwas wie eine deutsch-australische Antwort
auf The White Stripes. Sehr bluesig, sehr groovig und
mitreißend. Lustig sind vor allem die Glitzerpantoffeln, mit
denen Meike Schlagzeug spielt. Danach gibt es Gedränge am
Merchstand, weil die Band ihre beiden selbstproduzierten Alben
für je fünf Euro unters Volk wirft.
Im Anschluss spielen Vidunder, die wirken wie
Graveyard in Zeitlupe. Unter all den spektakulären
Schwedenhappen gehören sie sicher nicht zu den stärksten. Aber
das dankbare RiW-Publikum feiert sie trotzdem ab. Danach kommen
Cowboys & Aliens auf die Bühne. Die
Belgier bieten ziemlich langweiligen Heavy Rock ohne großartige
Abwechslung. Aber um halb Acht wird es dann spannend. Denn von
diesem Zeitpunkt an ist die Bühne fest in schwedischer
Hand.
Den Anfang machen Bombus mit einer Mischung
aus Motörhead, Turbonegro und klassischem Thrash-Metal. Genial
brachial und extrem abwechslungsreich. Mit dem letzten Stück
von Bombus kam allerdings auch der Regen. Das machte den
Truckfighters und ihren Fans allerdings herzlich wenig aus. Die
feierten zusammen ein gelungenes Set. Immer in Bewegung, immer
im Groove. Nordischer Stonerrock in Perfektion.
Und als der Regen nachlässt spielen Graveyard
zum großen Finale auf. Die vier Schweden sind inzwischen zum
Headliner gereift und zeigen sich als würdiger Höhepunkt.
Völlig zurecht werden die Jungs inzwischen als Speerspitze des
soegannten Retro-Rock gehandelt. Eine Tage vor dem Festival
hatte meine Liebste noch zu mir gesagt: "Zu Rock im Wald gehe
ich nicht mit. Da beschäftigst Du Dich sowieso die ganze Zeit
nur mit den Bands!" Ein schöneres Kompliment kann es für ein
Festival doch nicht geben. Laut Veranstalter waren an zwei
Tagen 1.500 Besucher bei Rock im Wald. Organisator Jürgen
"Brandy" Schäck zeigte sich zufrieden, nach meiner Einschätzung
hätten es zum 15. Jubiläum ruhig noch ein paar mehr sein
können.
Wolfram Hanke