.rcn - event & music – Seit 34 Jahren gratis! Wir rocken Franken!

Die Infos zur neuen Datenschutzverordnung lest Ihr ganz unten auf der Seite oder über diesen Direktlink:
Hinweise zum Datenschutz auf www.rcnmagazin.de

NEUIGKEITEN/AKTUELLES EINZELANSICHT

LANGVERSION HEFT 137: INTERVIEW AERONAUTEN

Nach Mitternacht und einem langen intensiven Konzert, hatte Olifr noch den Nerv, sich vom Tresen ein Bier mit nach draußen zu nehmen und bereitwillig einen riesen Haufen Fragen zu beantworten. Das Ergebnis will ich euch nicht vorenthalten:
LANGVERSION HEFT 137: INTERVIEW AERONAUTEN
Aeronauten 2010

.rcn: Zuerst die Standartfragen...

Olifr: Wo ordnet ihr euch selber ein?

.rcn: (grinst) Genau. Nächste Frage: Gibt es einen besonderen Grund dafür dass ihr euch "Aeronauten" genannt habt?

Olifr: Ich bastle Plastikflieger, nur Modelle vor 1916.

.rcn:
Die erste Platte die du dir in deiner Jugend gekauft hast:

Olifr: Please Please Me von den Beatles

.rcn: Das sentimentalste Musikstück in deinem Plattenschrank:

Olifr: Mother of Earth von Gunclub (Anmerkung .rcn: amerikanische Blues/Postpunk-Band)

.rcn: Deine Lieblingsplatte zum Chillen:

Olifr:
Aurevior Simone von den New York Female Casios

.rcn:
Was fällt dir ein zu Hamburger Schule?

Olifr:
Nicht viel. Ein Haufen netter Leute, wir kennen die natürlich alle. Aber als Stil gibt es mir nicht viel. Ich hör das höchstens zu Studienzwecken an. Das ist oft... mit dem Text wo hingehen und kurz bevor man da ist wieder weggehen - ein bisschen langweilig. Privat hör ich oft ganz andere Musik.

.rcn: Was?

Olifr: Alte Blues- und Jazzsachen...

.rcn: Ihr habt jetzt aber auch Hardcore dabei, wenn ich an Strides "Schatten" denke...

Olifr:
Stumpfpunk aber, nicht Hardcore. Ja, weil das das ist, was ich als Jugendlicher immer sehr gern gehört hab. Auf den Begriff Stumpfpunk leg ich wert. Weil ich der Meinung bin, dass Punk eigentlich eine regionale Musik ist. Das ganze Hardcore-Zeug aus Amerika hat meiner Meinung nach die Punkszene vergiftet.

.rcn: Wenn wir gerade bei deiner Jugendzeit sind - wo bist du aufgewachsen beziehungsweise geboren, du sprichst und singst akzentfrei Hochdeutsch...

Olifr:
Geboren bin ich in Mühlheim an der Ruhr, mit 4 bin ich an den Bodensee gezogen, und heute wohn ich in Schaffhausen.

.rcn:
Ihr kriegt regelmäßig von Kulturstiftungen Fördergelder - ist das in der Schweiz üblicher als in Deutschland? Und wie kommt man an sowas ran?

Olifr:
Ja, viel üblicher! Ich kenne keine Schweizer Band, die sowas nicht beantragt. Du musst ein eigenes Profil haben, Eigenständigkeit. Als Rolling-Stones-Cover könntest du nichts kriegen. Eine Kommission entscheidet dann ob das erfüllt und die Band damit förderungswürdig ist.

.rcn: Ist das Geld so viel, dass es einem wirklich weiterhilft?

Olifr: Auf jeden Fall. Geld bekommt man nur für die Touren. Aber die Meisten könnten ohne dieses Geld in der Gesamtbilanz auch ihre Aufnahmen im Tonstudio nicht finanzieren. Andererseits finde ich das Ganze eine zweischneidige Sache. Manchmal hab ich das Gefühl, mancher würde gescheitere Musik machen ohne Förderung. Für etwas das völlig am Publikum vorbei geht 10 000 Franken hinschmeißen, da blutet mir das Herz. Es ist ja Pop-Musik und Pop müsste sich eigentlich selbst tragen.

.rcn: Aber  tut es ja nicht...

Olifr: Die Aeronauten würden wir auch ohne Förderung machen. Das würde sich durch den emotionalen Erfolg tragen, den Spaß. Auch den Spaß den die Leute haben. Manchmal kommen Rückmeldungen, dass jemandem ein Stück besonders viel bedeutet - das allein ist es schon wert. Ohne Rückmeldung machst du das nicht allzu lang.

.rcn: Ich nehm an du bist bei euch  für die Texte zuständig...

Olifr:
(nickt)

.rcn: Wolltest du schon mal Schriftsteller werden? Wann erscheint dein erster Gedichtband in Buchform?

Olifr: Mit Gedichten hab ich weiter nix am Hut. Ich hab schon ein paar Sachen geschrieben, Beiträge in Zeitschriften. Das sind Geschichten aus meinem Leben vor den Aeronauten. Aber ob das irgendwann mal die Form als gebundenes Buch bekommt, keine Ahnung.

.rcn: Was hast du damals gemacht?

Olifr:
Ich war Schildermaler. Das liegt mindestens 20 Jahre zurück. Jetzt bin ich je zur Hälfte Musiker und Schauspieler bei einem  Kinder-Theater, also Erwachsene machen Theater für Kinder. Mit dem Theater kommen wir weit rum, bis in die USA, nach Österreich und Russland. Terminlich ist das manchmal schwierig, mit GUZ, das ist mein Soloprojekt seit 1984, sind das drei Jobs die ich organisieren muss.

.rcn:
Welches Buch liest du gerade?

Olifr:  "Die Söhne Abrahams" von Robert Littel, ein Thriller, der in einer heutigen, fiktiven Realität in Israel spielt. Normal lese ich Sachbücher über Politik, unterwegs dann eher Romane.

.rcn:
Wem würdest du gern mal einen Orden verleihen und wofür?

Olifr: Knarf Rellöm, für hartnäckige Schrulligkeit.

.rcn: Was würdest du in deinem Leben im Nachhinein anders machen?

Olifr:
Buchhalterisch würde ich mich ein bisschen mehr weiterbilden.

.rcn: Ihr spielt seit mindestens 10 Jahren in der gleichen Besetzung - ihr harmoniert ziemlich gut?

Olifr: Da sind die Leute zusammen, mit denen man drei Wochen in einem Bus leben kann. Es sind vielleicht nicht die besten Musiker auf der Welt, aber die besten Typen. Wir sind keine Funpunk-Band in dem Sinn, wir haben schon was zu sagen. Aber der Spaß gehört dazu.

.rcn: Apropos Spaß: Wie ernst darf man überhaupt das Leben nehmen? In euren Texten ist viel Selbstironie. Ist Ironie DIE Form, diese Welt überhaupt zu ertragen?

Olifr: Ironisch vom Inhalt her finde ich unsre Texte nicht. Direktheit ist mir wichtig. Ich will mich nicht hinter Ironie verstecken

.rcn: Ironisch ist doch  "Hahaha"  mit Zeilen wie "Ich lachte als unsere Welt für immer unterging", das sagt das Gegenteil von dem was gemeint ist, aber so, dass jeder weiß was gemeint ist...

Olifr: Für den der das singt ist es überhaupt nicht zum Lachen aber er singt "hahaha", in diesem Sinn ironisch. Aber nicht so , dass man etwas ansteuert und wenn man fast dran ist, es mit einem Witz zurücknimmt.

.rcn: Darf Geistreiches einfach sein?

Olifr:
Na sicher. MUSS sogar.

.rcn: Darf  Punk poetisch sein?

Olifr: Ja - eh! Klar.

.rcn: Wer ist eure Zielgruppe, wenn ihr eine habt?

Olifr:
Wenn wir eine hätten, was sollten wir damit machen? Nee. Wir machen einfach das was wir machen, natürlich kommen dann bestimmte Leute zu unsren Konzerten.

.rcn:
Heute in Nürnberg, war das typisches Aeronauten-Publikum?

Olifr:
Ja. Ein bisschen jünger ist es normalerweise. Und fürs erste Konzert einer Tour war das ganz gut.

.rcn: Es hat sich was geändert an eurem Produzenten beziehungsweise Label...
Olifr: Wir produzieren uns selber. Bei Tom Produkt in Hamburg als Label sind wir nicht mehr, weil das untergegangen ist, die gibt es nicht mehr.

.rcn:
Du gibst eine private Party. Welche drei Bands treten auf?

Olifr: "Der böse Bub Eugen",  aus Schaffhausen (Anmerkung .rcn: nicht mehr existente Band mit Punkwurzeln), und zwar mit einem 1984er Konzert, wo ich völlig hingerissen war.
"Hass", aus dem Ruhrgebiet (Anmerkung .rcn: Deutschpunkband mit antifaschistischem Anspruch, die sich 2001 aufgelöst hat) mit einem Konzert vom Anfang der 1990er
Der Top-Act wäre "King Pepe", kennst du auch nicht, aus Bern (Anmerkung .rcn: singt Schwizerdütsch), und zwar mit einer optimalen Band, die sich zu diesem Anlass erst zusammenfinden müsste.

.rcn: Wer ist oder war Marvin, so heißt das entrückte Instrumental am Ende von  "Hallo Leidenschaft!"?

Olifr: Der traurige Roboter aus "Per Anhalter durch die Galaxis"

 

Marion Wieck