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SO WAR: ROCK IM PARK 2018 // DER SAMSTAG, 02.06. IM RÜCKBLICK

Der zweite Tag im Park. Samstag mag für den Hartwurstfan eher weniger attraktiv gewesen sein, aber man konnte für das Gitarrenbrett des Sonntags schon mal vorschlafen. Wer aber neue Töne und Sprechgesang mag, konnte so einiges entdecken. Vielleicht hat auch Casper den einen oder anderen Fan dazu gewonnen, immerhin gab es doch einige Stimmen unter den Gitarrenfans die meinten "der war doch gar nicht so schlimm".
SO WAR: ROCK IM PARK 2018 // DER SAMSTAG, 02.06. IM RÜCKBLICK

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Rock im Park // Samstag 02.06.2018

Von Lea Biermann

Den Opener für den Samstag bilden für mich Giant Rooks in der noch (!) sauerstoffversorgten Arena. Auf ihrer For The Days To Come-Tour anfangs des Jahres war ich zufälligerweise gelandet und auch ganz überzeugt gewesen, da Indie-Pop selten originell klingt, und das Quintett aus NRW diese Hürde definitiv zu überwinden vermag. Wer zu fortschreitender Stunde bei alt-J zu finden ist, fühlt sich wohl auch hier in den vorderen Reihen ganz heimisch und nicht nur einmal überkommt mich das Déjà-Vu des Annenmaykantereit-Phänomens à la ‚Schmächtiger Bou/Kräftige Stimme‘, was gar nicht so verwunderlich ist, angesichts der Tatsache, dass sich Giant Rooks mit Landstreicher Booking im selben Dunstkreis fortbewegen.

Jimmy Eat World auf der Zeppelin-Stage sind ganz nett, um sich in der Nachmittags-Hitze zu sonnen, aber auch live fehlt mir bei der Band die Chemie. Auf ihrem letzten Album konnte mich kaum ein einzelner Song oder das Konvolut begeistern, doch vermengt mit älteren Liedern schillert doch ein bisschen chronologisch bedingte Vielfältigkeit hindurch, so viel muss ich einräumen.
Im Gegensatz dazu bin ich durch Enter Shikaris letztes Album etwas determiniert. Befürchtend, dass auch die Live-Präsenz an Offensive und Energie eingebußt hat, werde ich eines Besseren belehrt, denn diese Qualität manifestiert sich überraschenderweise auch in Songs von „The Spark“. Rou Reynolds‘ Jeffrey Dahmer-Brille verfängt sich bereits während der ersten Lieder in dem Vogelnest auf seinem Kopf, bevor sie bei „Destabilise“ vollkommen demoliert wird. Cirque du Soleil ist ein Dreck gegen die vier Briten und zumindest komme ich mit Songs wie „Arguing With Thermometers“, „The Last Garrison“, „Solidarity“ usw. auf die Kosten meines stehengebliebenen Dogmatismus. Das Versprechen wird eingehalten, 4 Songs in 8 Minuten in Form der selbstbenannten „Quickfire Medley“ zu pressen – bestehend aus „Sorry, You‘re Not A Winner“, „Sssnakepit“, „System Meltdown“ und „The Jester“ und den Rausschmeißer bildet „Live Outside“.

Die erste Hälfte von alt-J‘s Auftritt verpasse ich leider, da sich – zugegebenermaßen – Enter Shikari und alt-J sicherlich eine geringe Schnittmenge des Publikums teilen, von mir mal abgesehen. Mein erstes Mal mit den drei Briten bringt hohe Erwartungen mit sich, was wahrscheinlich die anfängliche Unzufriedenheit begründet, die sich einschleicht, als „Bloodflood“ eigentlich so klingt wie die Studio-Aufnahme und „Matilda“ sogar fast langweiliger. Doch bevor ich die Hoffnung aufgebe, servieren sie „Dissolve Me“ und „Tarot“ mit korpulentem Bass und feinfühlig editierten Schnörkeln. Mit „3WW“ findet sich auch noch ein Song vom Album des letzten Jahres in der zweiten Hälfte der Setlist ein und seinen Abschluss mit „Breezeblocks“, was noch sehr nachhaltig als Ohrwurm Freude bereitet.

Um die Kaskaden meiner musikalischen Seitensprünge noch weiter zu fröhnen, stehe ich im Anschluss vor einem weißen Vorhang, der die Zeppelin-Bühne verhüllt, und warte mit einem Haufen Gerade-So-Volljährigen oder Gerade-So-Alt-Geschminkten, bis Casper dahinter zum Vorschein kommen wird. Den Sinn von angeblich stimmungsanimierender Bewegungsdirektion habe ich noch nie so wirklich verstanden, wenn ich ehrlich bin, aber gänzlich unangebracht erscheint mir Benjamin Griffeys Aufforderung zu Springen beim Opener „Alles ist erleuchtet“, da der Beat nicht einmal damit korrespondiert. Bei seinem daran anschließenden Evergreen „Im Ascheregen“ bedarf es solcher Appelle offenbar nicht und nachdem die folgende Chronologie an Hits schon die ersten Mosh-Pits zu Tage bringt, verzichtet er großzügigerweise sogar darauf. Songs wie „Ganz schön okay“ (ohne Kraftklub), „Keine Angst“ (ohne Drangsal) und „Lass sie gehen“ (ohne Ahzumjot und Portugal. The Man) finden genauso Einzug wie ältere Dauerbrenner á la „Mittelfinger hoch“ (ohne Favorite und Kollegah) und „Blut sehen“, für die Casper plötzlich inmitten des Plebs auf einem Plateau auftaucht. Nachdem er die große Bühne wieder erklommen hat, adressiert er eine Zwischenansage, die ich offengestanden genau so schon herbeigesehnt habe, als ich bereits am Freitag einige BesucherInnen mit speziellem RaR-/RiP-themed Casper-Merchandise gesehen habe, dessen Vorderseite mit einem anonymen facebook-Post bedruckt ist, der besagt: „Aus Rock am Ring wird echt noch Rap am Ring. Finde es traurig, dass sich unsere geliebten Rocker und Metaller die Bühne mit so einem teilen müssen…..“ Diesem Diskurs hat Casper hinzuzufügen, dass er die musikalische Vielfalt nur gutheißt und ein musikalischer Lautwandel dem Zeitgeist unterliegt.

Unter anderem Jay-Z‘s Auftritt 2010 mag die Tore für Künstler wie RAF Camora, UFO361, Bausa, die Antilopengang, Summer Cem, Trailerpark und Yung Hurn geöffnet haben, die dieses Jahr allesamt die musikalische Ausrichtung der zwei Partnerfestivals infrage stellen. Aber ebensolche Künstler wie Casper, der vor allem mit seinem letzten Album zwischen Industrial, Noise und Rap-Rock laviert, beweisen, dass Genre-Grenzwache ebenso stupide ist, wie zu bestreiten, dass sich Genres gegenseitig beeinflussen und bedingen.

Um sein Statement zu untermauern, übertönt das einsetzende Furzen und Surren des Basses vom albumbetitelnden „Lang lebe der Tod“ (ohne Sizarr, Blixa Bargeld und Dagobert) den Applaus, und genau diese Reizüberflutung an Scheinwerfer-Blitzlicht und physisch spürbarer Kakophonie leiten  in diesem Moment noch ein bisschen Ekstase ein, bevor Casper seine Show mit Tuten und Blasen via „Jambalaya“ abschließt.

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von Ewald Funk

Mein Einstieg am Samstag: Jimmy Eat World. Die ewig jungen Emo-Collegerocker mit den eingängigen Studenten-Hymnen haben im Laufe ihrer Karriere schon einige Ohrwürmer in ihrem Köcher angesammelt. Haarschnitt (Ausnahme: Rick), Textthematik, Klamotten, Spannungsbögen, Instrumentierung, Sound – alles scheint gleich geblieben zu sein. Selbst Sänger Jim Adkins sieht immer noch aus wie 1993, als die Band gegründet wurde. Mit Ausnahme des Bassisten Rick Burch, der ein Jahr später dazu kam, spielt die Band seit 25 Jahren in der gleichen Besetzung. Was sie allerdings nicht sind: Eine Band, welche die Hauptbühne eines großen Festivals mit Präsenz ausfüllt. Man muss ihre Alben schon kennen, um schnellen Mitwipp-Zugang zu den simplen Songs zu finden. Entsprechend gediegen war der Applaus auf dem Hauptfeld in der Nachmittagssonne. Ich schätze mal, wir werden die Band noch das eine oder andere mal sehen, die Musikwelt braucht einfach unkaputtbare Originale wie sie. Irgendwie, als wenn Katsche Schwarzenbeck, der Kaiser, kleines dickes Müller oder Rainer Bonhof immer noch in der Nationalmannschaft spielen würden...

Pünktlich zum Konzertbeginn stand ich dann bei Enter Shikari vor der Alternastage aka Becks Parkstage, die wahrscheinlich nächstes Jahr dann wieder anders heißen wird. Egal, hellblau war Corporate Identity der Art-Metalcore-Post-Pop-Hardcore-Band, die schon immer etwas sonderbar war. Ich persönlich gehe mit ihnen. Sprich: Raus aus dem Metalcore, rein in Queen-Chöre und g’führige Hooklines des aktuellen Albums „The Spark“. Als Musikneurotiker, für den früher schon immer alles besser war, ist das 2015er Album „The Mindsweep“ halt immer noch das Maß aller Dinge. Und hoppla, es wurden erstaunlich viele Songs davon gespielt, wie auch vom neuen Scheibchen, was beides erstaunlich gut miteinander harmonierte. Die seit 2003 unverändert zusammen spielenden Briten aus dem Norden Londons haben noch einen weiteren Trumpf: Sänger Rou Reynolds, der diesmal im hellen Anzug figurierte und mit Brille und Albert-Einstein-Gedächtnisfrisur aussah wie... der junge Einstein halt. Oder irgendeine Nebenrolle bei Harry Potter. Egal, ihre natürliche Umgebung sind aber immer noch Clubs, die sie in der Regel kunstvoll zerlegen, wie einst im Hirsch, wo Rou eigentlich mehr im Publikum oder auf der Theke stehend sang, als auf der Bühne. Wenn „The Spark“ ein weiteres Album mit gutem Songwriting folgen sollte, sehen wir die Band bald im Billing eine Stufe höher.

Der Unterschied konnte größer nicht sein, als danach Hollywood Undead folgten. Endlich hatte ich die Gelegenheit, die umstrittene Band für den ganz einfachen Musikgeschmack einmal zu sehen. Sie begannen mit einem ellenlangen Intro, dass ich als 90er Crossover Fan eigentlich ganz schick fand. Nur dass dann nur, ähem, Oettinger Baustellenbier in Musikform folgte für 8,99 der Kasten. Auf dem Weg zur Bühne, die vielleicht nächstes Jahr tatsächlich Oettinger-Funstage heißen könnte, kamen mir einige Leute auf dem Rückzug entgegen. Ein Programm wie eine Mini-Playback-Show für Dummies, bei ihren zusammen gecoverten Songfragmenten beliebter Rock und Hop-Standarts machte ich dann schnell kehrt und ging erstmal im Beach-Biergarten auf Wartestellung bei einem Meter Bratwurst, ob da noch was komme. Kam nichts. Geschmacksache. Das mag wahrscheinlich ein Publikum, das heuer zu Guns’n’Roses geht und immer noch glaubt, das wären wirklich Guns’n’Roses. Als Konventionalstrafe für Hollywood Undead würde ich einfach eine Stunde in Zwangsjacken festgeschnallt auf der Bühne bei Body Count vorschlagen. Aber das ist eine Geschichte vom Sonntag.

A Perfect Circle waren dann natürlich eine Bank für meinereiner, da ich tool schon für so etwas wie eine Götterband halte. Zeug, was nicht jeder freiwillig hört. Was gibt es denn schöneres als intellektuell vergeistigte Musiker, die scheinbar ziellos vor sich hin frickeln und einen völlig im Nirvana vor sich hin faselnden Sänger, der wahrscheinlich nur bei Konzerten oder im Studio Freigang von der Klapse bekommt. Maynard James Keenan ist so und neben tool auch der Sänger von A Perfect Circle. Vor allem durch die aktuelle – erstaunlich zugängliche – Scheibe „Eat The Elephant“ hatte der APC-Gig manchmal etwas von tool-„light“. Keenan, der schon mal ein Weingut betrieb und auch ansonsten – ganz Texaner – gerne mal mit der Wumme ballert, stand traditionell ganz hinten und chantete seine Texte monoton in dauernd gebückter Haltung wie ein Waldkobold. James Iha von den Smashing Pumpkins war der zweite Blickfang, seine sorgsam zelebrierten Gitarrenlicks eine sichere Bank, damit nichts aus dem Ruder läuft.

Für den Rest des Abends gab ich das Staffelholz weiter an Lea und widmete mich der auf einem Festival sehr wichtigen Sozial- und Hopfenkontakten.