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AVANTASIA, LANGVERSION HEFT 167: INTERVIEW TOBIAS SAMMET

Nicht vergessen: Heute Abend Konzert in Lichtenfels! ...noch ein kleiner Nachtrag zur Titelstory aus dem letzten Heft. Wir haben natürlich auch eine Langversion des Interviews, wer also noch mehr Fakten zur neuen Scheibe lesen will, ist hier richtig!
AVANTASIA, LANGVERSION HEFT 167: INTERVIEW TOBIAS SAMMET

AVANTASIA – CAN’T STOP ROCKIN’ YOU!

Eigentlich sollte nach zwei Teilen Metal-Oper und der Wicked-Trilogie inklusive einem Grande Finale auf dem Wacken Festival Schluss sein. Zum Glück kam Toby Sammet aber seine eigene Kreativität in die Quere und so steht seit Mitte März mit "The Mystery Of Time" nun doch ein neues Album in den Läden. Toby ist Musiker durch und durch und eigentlich ist seine und die Karriere seiner Stammband Edguy der Beweis, dass auch markt-asynchrone Produkte eine Chance haben, wenn sie gut genug sind. Mit seinen 36 Jährchen ist er schon ein so reifer und abgeklärter Gesprächspartner, dem einerseits immer noch der jugendlich-neugierige Schalk im Nacken sitzen kann, der aber auch andererseits sehr abgeklärte und bescheiden-kluge Aussagen machen kann, die man höchstens von einem 50-jährigen Rockidol erwartet, welches niemandem mehr etwas beweisen muss. Wir haben uns im Interview mit ihm unter anderem über das neue Album , die moderne Musikindustrie und das Internet unterhalten. Ganz am Anfang legt er aber erst einmal seine Rolle in der Erfolgsgeschichte des FC Bayern dar...

.rcn: Du bist Bayern-Mitglied, oder? Was zahlt man da so im Jahr?

Toby: Das sind so 50 oder 60 Euro. Ich bin noch nicht so lange Mitglied, ungefähr seit 2007, und zwei Monate, nachdem der Mitgliedsbeitrag bei den Bayern auf dem Konto gelandet ist, haben sie den Ribery gekauft. Ich bin da immer noch stolz drauf und sehe da kausale Zusammenhänge. Ich bin überzeugt, dass vieles dieser Erfolgsgeschichte den Ursprung in meinem Beitritt hat. Ich habe den Verein quasi aufgepäppelt, das wird ja eigentlich nur dem Hoeneß angerechnet. Vielleicht sollte ich mal beim Club einsteigen....

.rcn: Ich habe, passend zum Thema Fussball,  letztens ein Buch über die ganze FIFA Geschichte gelesen und mir bei jedem Kapitel gedacht „Das darf doch einfach nicht wahr sein!“, was da heute noch alles möglich ist und wie man sich so plump dabei anstellen kann. Jedes Kind weiß, dass da geschoben wird. Gibt es da Parallelen zur Musikindustrie?

Toby: Also bei den Charts nicht, wobei es mit Sicherheit dieses „Eine Hand wäscht die andere“ – Spiel gibt. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass wir bei so etwas immer relativ schlecht abschneiden. Das klingt jetzt blöd und ein bisschen Robin-Hood-mäßig, aber ich bin tatsächlich ein ganz schlechter Arschkriecher. Ich kann das dann gar nicht mitspielen. Wir sind nicht die Band, die überall mit der Presse sitzt und sich zulaufen lässt. Ich tauche da eigentlich fast nirgends privat auf. Wenn ich nicht irgendwo spiele, bin eher so ein Einsiedler. Ich gehe auf die Bühne und das macht alles Spaß, aber dann bin ich aber auch wieder weg. Also bei diesen Mauscheleien sind wir meistens außen vor. Wenn irgendwo gemauschelt wird, dann trifft das eher die anderen. Es gibt oft schon Kritiken, wo du denkst „Ah ja, klar!“, wo du im Hintergrund einfach Zusammenhänge siehst, warum wer jetzt was bekommt und wie er dabei abschneidet. Das gibt es natürlich. Aber ich glaube das bringt nichts, weil im Endeffekt entscheiden immer die Fans und wir waren nie die Lieblingsband der Presse. Ganz am Anfang hatten wir ein bisschen Welpenschutz. Als wir mit Edguy noch ganz jung dabei waren, fanden das alle ganz spannend, dass da eine Band aus 18, 19-jährigen kommt. Jetzt gibt es ja öfter so junge Bands, aber damals war das etwas außergewöhnliches, dass man in diesem Alter schon seine zweite oder dritte Platte macht.



.rcn: Ihr seid ja sehr asynchron aufgetreten, mit einem Musikstil, der damals nicht so populär war. Dadurch hattet ihr es wesentlich schwerer...

Toby: Auf jeden Fall! Es gab diese Musik immer, also Bands wie Heaven’s Gate oder auch Helloween haben zu dieser Zeit schon noch die Fahne hochgehalten. Aber es war ganz schwierig für junge Bands. Es gab auch die Diskussion „Ist der Metal tot?“. So Sachen wie Nine Inch Nails wurden abgefeiert, aber mit traditionellem Metal konntest du die Leute da jagen. Wir haben das halt gemacht und wir waren eben sehr jung, deshalb haben uns manche Leute tatsächlich diesen Welpenschutz zukommen lassen und gesagt, dass das schon außergewöhnlich ist, dass wir das machen. Aber wir waren nie eine Band, die von der Presse total abgefeiert wurde. Einmal in meinem ganzen Leben hatte ich in einem der großen Musik- bzw. Metalmagazinen ein Album des Monats, mit einer Platte. Ich glaube das war die „Hellfire Club“. Die alten Avantasia-Platten waren bei Metalhammer immer eher am letzten als am ersten Platz dran. Das schöne war, dass man nie Zusammenhänge zwischen den Verkäufen und dem, was die Presse geschrieben hat, gesehen hat.

.rcn: Wenn du die Käufer der Avantasia-Platte sehen würdest, würdest du dich bestimmt freuen. Das ist nämlich nicht immer das, was die großen Magazine erwarten...

Toby: Nein und ich sage das immer wieder, ich persönlich fühle mich total wohl, wenn ich nach Aschaffenburg zu Magnum gehe. Das ist mein Publikum, da fühle ich mich wie ich selbst, da gehöre ich auch hin, selbst als Publikum. Und ich glaube, dieses Publikum existiert nicht als Zielgruppe. Kein Marktforschungsinstitut würde das Publikum von Magnum als eine bestimmte Zielgruppe einordnen. So sehe ich das auch bei Edguy und noch extremer bei Avantasia. Wenn ich ins Publikum schaue, ist da wirklich alles dabei. Da ist Männlein und Weiblein von zwölf bis siebzig dabei, und zwar bunt gemischt. Das ist halt irgendwie geil. Das sind Leute, die nichts vorgekaut kriegen, sondern die meisten von ihnen sind so emanzipiert, dass sie sich die Musik suchen, auf die sie Bock haben. Das ist einfach schön, das ist ein cooles Publikum. Ich würde meine Fans gegen nichts eintauschen. Die holen sich die Platten, die sie haben wollen, egal auf welchem Platz die jetzt in den Charts ist. Ich glaube das ist die Folge von viel Basisarbeit, die man über einen langen Zeitraum beständig abliefert und spielt. Wir haben als Band an jeder Steckdose auf der ganzen Welt gespielt und das kommt einem dann natürlich irgendwann zu Gute, wenn dann neue Platten kommen. Ich werde manchmal, insbesondere von Tageszeitungen, die jetzt nicht so in der Materie drinstecken, gefragt, wie man als deutsche Band ein Album veröffentlicht, das zeitgleich in 60 Ländern erscheint. Was ja viele Bands in Deutschland nicht hinkriegen. Und wie man die dann auch wirklich verkauft, so dass sie in ungefähr 15 Ländern in die Charts geht. Dass man die Möglichkeit hat, auf allen Kontinenten zu spielen, ist glaube ich die Folge von ehrlicher Arbeit. Ohne sich auf die neuesten Trends zu stürzen einfach immer wieder zu sagen „Nein, wir touren einmal durch die Welt und wir touren nächstes Jahr wieder einmal durch die Welt und danach wieder einmal und wir machen einfach das, worauf wir Bock haben und was wir am besten können.“ Ohne uns etwas aufschwatzen zu lassen und unsere Musik einer Pseudozielgruppe auf den Leib zu schneidern.

.rcn: Unser Rezensent hatte ein wenig Probleme, mit der sechsten Studiorunde von Avantasia zurande zu kommen, weil es ihm doch ein wenig bombastisch und komplex vorkam. Wie so ein Riesenfeuerwerk. Er meint dann aber auch, dass es mit der Zeit wieder in eine andere Richtung geht. Dass man da schon zehn Runden braucht, um da mal richtig reinzukommen.

Toby: Das ist ganz lustig, denn ich habe das jetzt schon öfters gehört und sehe das eigentlich ähnlich. Wenn du selbst eine Platte machst, dann hast du nicht den selben Abstand. Ich kenne die Songs, ich habe sie alle geschrieben, ich weiß, wo was passiert und deshalb hat man auch eine ganz andere Möglichkeit, sich im Laufe des Produktionsprozesses mit dem Material vertraut zu machen. Aber ich habe jetzt oft gehört, dass Leute sagen, dass sie das Album viel häufiger hören müssen um einfach alles zu entdecken und nicht erschlagen zu werden. Was ich abgefahren finde, denn es sind ja im Vergleich zur letzten Platte, da hatten wir ja quasi zwei Platten auf einmal veröffentlicht, „nur“ 60 Minuten Material. Aber es ist eben trotzdem so vielseitig, dass man diese Platte einfach geschlossen hören und auf sich wirken lassen muss. Ich kann da nur spekulieren, aber ich denke, erst wenn man die Platte öfters hört, entfaltet sie was sie eigentlich ausmacht. Eben diese Vielseitigkeit, diese Aufs und Abs und diese Geschichte, die nicht nur story-technisch erzählt wird, sondern auch musikalisch. Also dieser Flow der Platte muss sich ganz einfach entfalten. Ich war letzte Woche in England und habe Promo gemacht und da kam auch öfter die Frage, welcher Song meiner Meinung nach Avantasia am besten definiert. Das geht bei einer 60-Minuten-Platte nicht. Das Material ist so abhängig davon, in diesem Gesamtzusammenhang gehört zu werden. Diesen Freitag (Anm: 22.03.) kommt „Sleepwalking“ als Single heraus. Das ist natürlich nicht repräsentativ für die Platte, aber es ist repräsentativ für einen Auszug aus der Platte, weil es in das Album hineingehört und darin wunderbar funktioniert. Natürlich ist „Sleepwalking“ mit Abstand der softeste Song auf der Platte, der poppigste wahrscheinlich. Aber wenn du jetzt „Where Clock Hands Freeze“ mit Michi Kiske darauf oder „Invoke The Machine“ nimmst, dann würde das der Platte auch nicht gerecht werden, wenn man es als Querschnitt zeigen würde. Die Songs sind einfach so abwechslungsreich und so bunt und detailliert, dass man einfach nicht einen Song rauspicken kann und als absoluten Querschnitt der Platte hernehmen kann.

.rcn: „Sleepwalking“ ist mir sofort aufgefallen, weil ich mir gesagt habe, „wenn das nicht öfter mal im Radio gespielt wird, dann ist das einfach ungerecht“...

Toby: Das wird nicht im Radio gespielt. Damit habe ich mich schon seit langer Zeit abgefunden.

.rcn: Oft können ja die Labels einen Künstler ziemlich verändern und umbiegen. Da werden Leute dann zum Beispiel zu Duetten gezwungen, die fast schon lächerlich sind. Wie siehst du das?

Toby: Gut, wir haben auf der neuen Platte auch eine Kooperation mit Star Watch. Das ist ein Label von Prosieben/SAT1. Die haben in Deutschland eine Kooperation mit Nuclear Blast. Wie meine Musik verkauft wird, ist mir erst mal wurscht, solange sie als das verkauft wird, was sie ist und was ich machen möchte. Ich würde mir aber nicht künstlerisch reinreden lassen und sagen „So wir machen jetzt noch einmal einen Mix von der ganzen Platte.“

.rcn: Das heißt, es ist einfach nur eine Kooperation, durch die du dann auch in ein Medium reinkommst, das unabdingbar ist, um möglichst viele Leute zu erreichen?

Toby: Genau. So dass man eben die Möglichkeit hat, seine Musik, so wie sie ist, einem größeren Publikum vorzustellen und das finde ich absolut legitim. Gerade im Heavy Metal war das ja früher ein rotes Tuch für die Fans. Als Bands wie Iron Maiden bei Top Of The Pops waren. Das finde ich eigentlich blödsinnig, weil im Endeffekt macht die Band das, was sie sowieso macht. Ok, ob sie jetzt Playback macht, oder nicht, das ist halt im Fernsehen so. Wenn der Song im Radio läuft, dann spielen sie da auch nicht live. So ist das eben. Jeder Rockfan kennt zum Beispiel Meatloaf und ich bin großer Meatloaf-Fan. Ich hatte nie Angst, dass er genauso in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, wie irgendeiner von diesen Superstars. Meatloaf wird nie hip sein, aber er wird immer cool sein. Und nur weil er bei Wetten Dass sitzt, ist er doch nicht plötzlich schlecht. Ich denke das ist auch eine Altersfrage. Wenn ich etwas geiles im Fernsehen oder im Radio höre, dann ist das Letzte, worüber ich mir Gedanken mache, ob ich das jetzt darf und ob ich dann cool bin. Ich sage dann „Das ist ein geiler Song, der klingt geil, den will ich haben!“. Wobei ich sagen muss, dass ich kaum Radio höre. Warum soll ich das hören, was andere mir vordiktieren, wenn ich auch das hören kann, was ich selbst hören will. Wenn man 25 oder 30 Jahre als Rockfan auf dem Buckel hat, dann weiß man beim Blick in seine Plattensammlung schon ziemlich genau, was man gerade braucht und hören muss. Ich habe schon mit vier Jahren die erste AC/DC Kassette gehört und das ist jetzt kein PR-Gag, die war von meinem Bruder. Ich bin aber trotzdem dankbar, wenn ich gute neue Sachen kriege, also wenn eine neue Masterplan-Platte kommt, dann werde ich trotzdem wieder gleich zuschlagen.



.rcn:  Das Internet ist für euch sicherlich auch ein wichtiges Medium, um die Platte bekannt zu machen, oder?

Toby: Das ist so eine Sache. Natürlich hat man große Vorteile durch das Internet, das kann ja keiner abstreiten. Aber ganz ehrlich, wenn ich mir aussuchen könnte, ob man es einfach abschalten könnte, ich glaube ich würde das machen, weil es hat auch so viel kaputtgemacht. Es nimmt dem Alltag ein bisschen die Magie, finde ich. Alles ist zu jeder Zeit in jedem Wohnzimmer verfügbar. Man muss dafür nicht mehr rausgehen und man muss dafür keine Kreativität mehr an den Tag legen. Jetzt würden Leute sagen „Das ist doch geil, jeder weiß alles zu jeder Zeit!“. Aber jeder weiß alles zu jeder Zeit, ohne dass er noch in irgendeiner Form soziale Kontakte pflegen muss. Früher hatte ich einen anderen Bezug zu Dingen, die man irgendwie durch Zufall in einem Second-Hand-Laden entdeckt hat. Man hat sich etwas gekauft, was man in irgendeinem Land in einem Second-Hand-Laden entdeckt hat. Heutzutage ist es jederzeit überall abrufbar. Das macht die Sache wirtschaftlich sehr interessant, es nimmt einem aber auch die Magie. Es ist so, als würde man sagen „Endlich weiß die ganze Welt, dass es keinen Nikolaus gibt!“. Aber irgendwie muss man sagen, dass es doch auch etwas schönes hatte, als man noch gedacht hat, dass es den Nikolaus gibt. Gut, das hatte etwas mit Kindsein zu tun. Aber Fakt ist, dass es heutzutage auch als Musiker total schwierig geworden ist. Du machst etwas und arbeitest 8, 9 Monate an einer Platte und die Leute setzten es inzwischen voraus, dass sie dir simultan über die Schulter schauen dürfen. Früher musste man monatelang warten, bis irgendeine Zeitung endlich ein Foto vom neuen Kiss Lineup veröffentlicht hat. Und dann kam plötzlich die Platte. Ich weiß noch, dass ich mir das Cover von der Revenge-Platte, damals 1992, ganz anders vorgestellt hatte. Am Veröffentlichungstag sah ich plötzlich, wie das Cover aussah. Heutzutage kennt die ganze Welt das Cover vermutlich bereits, bevor es die Band überhaupt abgesegnet hat, weil es schon irgendwie durchgesickert ist. Das ruiniert die ganze Mystik, die sich um das Ritual Musikhören aufgebaut hatte. Es ist ja nicht nur die Musik und die 10 Songs, die man hört, sondern das gesamte Drumherum. Das Lebensgefühl hatte damit zu tun. Das erste Mal das Cover in einer bestimmten Größe zu sehen und in der Hand zu halten. Vielleicht auch noch ein Vinyl-Cover! Ich will jetzt nicht wie ein kompletter Nostalgiker rüberkommen, aber man wusste nicht was kommt. Auf einem Konzert wusste ich nicht, was Kiss für Songs spielen werden. Das hat man dann ein paar Monate später in der Zeitung gelesen. Heutzutage ist es einfach so, dass, wenn eine Band irgendwo in Timbuktu ein Konzert gespielt hat, dann weißt du schon ganz genau, welche Songs sie spielen wird.  Das nimmt ein bisschen dieses Ungewisse, das Fiebern, Hoffen und Spekulieren. Das ist flöten gegangen. Die ganze Zeit ist entmystifiziert, es ist alles sehr schnell geworden.

.rcn: Womit wir beim Thema wären! Davon handelt doch auch die neue Platte, „The Mystery Of Time“!

Toby: Das war unterbewusst sicher auch eine Motivation, warum ich die Platte geschrieben habe. Weil es geht eigentlich darum, dass alle Leute ständig am rennen sind, und keiner weiß so genau wohin und warum. Das Eigentliche bleibt komplett auf der Strecke. Jeder arbeitet aktiv an einer Gewinnmaximierung, an einer Optimierung des individuellen Zeitmanagements. Jeder ist stolz darauf, 220 Emails in 45 Minuten beantworten zu können und jeder nutzt diese Errungenschaften des Fortschritts dazu, noch mehr erledigen zu können. Früher hat jemand gesagt „Ich schicke dir das zu!“ und dann hat man das zwei Tage später gehabt. Heute sagt jemand „Ich mail es dir“ und wenn es nach 20 Minuten nicht da ist, ruft man an und fragt, wo es bleibt. Alles hat sich sozusagen „verhektisiert“. Ich glaube nicht, dass wir jetzt viel effektiver arbeiten und dass alles besser geworden ist. Ich glaube einfach nur, dass jetzt vorausgesetzt wird, dass alles viel schneller und kurzfristiger passiert.

.rcn: Denkst du, dass man früher mit mehr Bedacht gearbeitet hat?

Toby: Natürlich. Wir mussten früher bei der Albumproduktion darauf achten, das Band nicht überzustrapazieren. Heute ist das Gang und Gäbe, etwas zu ziehen oder gerade zu rücken. Das merkst du auch wenn du eine Platte anhörst und dann hörst du die Band live. Da denkt man manchmal schon „Na herzlichen Glückwunsch, wer hat euch die Platte eingespielt?“ Wir kennen das noch, dass man alleine 2000 Mark Bandkosten hatte. Da hat man dann geguckt, dass man seinen Scheiß zusammenhat und auch spielen und singen kann. Wir haben da zwar auch manche Takes bis zum Erbrechen wiederholt, wenn es gar nicht anders ging, weil man auch nicht kopieren oder von A nach B schieben konnte. Man hatte da einen anderen Bezug dazu. Ich wage mal zu behaupten, dass man, wenn man uns hört durchaus merkt, dass wir unser Zeug können. Aber das hat Bands Türen und Tore geöffnet, die es eben nicht so genau nehmen. Und heutzutage wissen Bands das gar nicht anders. Es gibt Produzenten, die profitieren einfach nur von ihrem Ruf, das ist kein Scheiß. Weil sie den Ruf haben, schnell zu editieren. Das ist ja wohl das krankste, was es überhaupt gibt. Dass es heißt „Den kannst du buchen, der hat einen guten Tagessatz und poliert dir die Platte in relativ kurzer Zeit.“ Der macht die schiefen Töne weg und rückt das Schlagzeug gerade und so. Alles mit Mausklicks. Der setzt sich 3, 4 Tage hin und wenn die schnell sind und einen günstigen Tagespreis haben, dann sparst du einfach Geld. Da sage ich „Ihr Penner, wenn ihr eueren Scheiß spielen könnt, dann braucht ihr den überhaupt nicht.“ Dann kann der sich darauf konzentrieren, was ursprünglich mal der Tontechniker ausgemacht hat, nämlich eine vernünftige Platte zu produzieren, einen guten Sound zu fahren und einfach die Signale gut zu bearbeiten, so dass sie gut klingen und in Szene gesetzt werden. Und nicht das Zeug irgendwie zusammenzuschieben. „The Mystery Of Time“ handelt im Prinzip, jetzt nicht unbedingt von der Produktionswarte aus gesehen, davon, dass sich die Zeiten dahingehend verändert haben, dass sich die Prioritäten von dem, was meiner Meinung nach das Menschsein ausmacht, weg verschoben haben. Die Leute wollen einfach nur noch schnell und effektiv sein, aber die Qualität dessen, und die Ursache des Lebens an und für sich, darüber macht sich niemand mehr Gedanken, weil keiner mehr die Zeit dazu hat. Und so sind alle zu müde, um sich überhaupt Gedanken zu machen, warum sie sich eigentlich so abhetzten, für was sie so rennen und wo eigentlich der Sinn dieser ganzen Geschichte liegt. Jeder arbeitet an der Grenze zur absoluten Erschöpfung und wir sind schon eine Burnout-Gesellschaft. Von daher wollte ich mit „The Mystery Of Time“ einfach ein schönes Märchen schreiben, das als Basis dieses Phänomen der Zeitknappheit hat. Ich wollte nichts total negatives machen, sondern etwas Verzauberndes. Deshalb habe ich das aus der heutigen Zeit rausgerissen und habe einen Wissenschaftler im 19. Jahrhundert daraus gemacht, der diesem Phänomen auf den Grund geht. Obwohl ich nicht glaube, dass dieses Phänomen damals schon bestand. Das ist ein bisschen absurd, aber es ist ja auch eine Fantasy-Platte.

.rcn: Lass uns über das Cover reden. Ich kenne mich mit Comics nicht so gut aus, aber ich würde es eher in die Disney Richtung stecken!

Toby: Ja, das hat mir in England auch jemand gesagt. Ich empfinde das gar nicht so, aber es scheint offensichtlich so zu wirken. Es ist ein klassisches Rodney Matthews Cover und Rodney Matthews ist bekannt von den Magnum Covern, von den Buchcovern zu Elric, Nazareth, Asia und so weiter. Ich wollte einfach ein typisches Rodney Matthews Cover haben und das hat er mir gegeben. Ich finde ihn viel besser als das meiste, was ich von Disney kenne. Ich finde es sehr liebevoll und es hat einen künstlerischen Aspekt, also die Proportionen sind bei ihm sehr speziell, wenn er malt. Ich wollte gerne ein handgemaltes Cover haben, nichts was am Computer zusammengebastelt wurde. Ich wollte Rodney Matthews selbst haben, weil er einfach mein Lieblingsmaler ist. Ich habe auch gesagt, dass er sich inhaltlich gar nicht so sehr an die Geschichte klemmen muss. Ich habe ihm einfach einen Text vom Opening Track „Spectres“ gegeben und gesagt, worum es darin grob geht. Ich wollte, dass er seine Version macht und das hat er getan.

.rcn. Er ist ja dafür bekannt, dass er oft sehr interessante Landschaften macht und man ihn sofort an seinem Stil erkennt. Neulich habe ich in der Zeitung über Rock Meets Classic gelesen. Da war auch Mat Sinner dabei, der ist da musikalischer Direktor. Die machen auch eine sehr opulente Rock-Classic-Show, die hier ziemlich große Hallen füllt. Das heißt, da ist auch ein Publikum da. Das sind auch Leute, denen das egal ist, wer da jetzt wo mitgespielt hat. Ok, ein paar bekannte Stimmen, aber in erster Linie geht es um eine schöne, opulente Rock-Oper. Im Grunde machst du mit Avantasia ja nicht viel anderes. Wärst du damit einverstanden, Avantasia dem Publikum von Rock Meets Classic zu empfehlen?

Toby: Ja auf jeden Fall! Ich bin prinzipiell zufrieden, wenn jeder Avantasia sehen kann! Bei Rock Meets Classic sind ja auch ein paar Leute dabei, die auch bei Avantasia dabei waren. Ich habe es selbst noch nicht gesehen, aber ich denke, dass es bei uns noch etwas schmissiger zu Werke geht. Es ist bei uns nicht ganz so gesetzt und es ist nicht bestuhlt. Ansonsten ist das handgemachte Musik mit klassischem Einschlag, also glaube ich schon, dass Leute da mit beiden etwas abfangen können.


.rcn: Du hattest dieses Mal auch das Babelsberger Filmorchester mit im Boot, oder?

Toby:  Ich hatte einfach Bock darauf, diesem klassischen Anstrich noch mehr Gewicht zu verleihen und habe deshalb auch gesagt, dass wir nicht das Keyboard, sondern ein echtes Orchester nehmen. Der Unterschied ist wirklich groß.


.rcn: Wie passiert das dann live?

Toby: Wir haben auf der Tour Miro dabei, der auch die Orchesterarrangements auf den letzten Platten gemacht hat. Der wird dann das Orchester auf die Basics herunterreduzieren und das tatsächlich live mit dem Keyboard machen. Er hat ein ähnliches Equipment, wie die Soundtrack Komponisten in Hollywood. Das steht und fällt mit dem Know-How, mit der Musikalität des Keyboarders und ganz extrem mit den Sounds. Wenn du gute Sounds hast, also gute Orchester-Samples, dann kannst du dir für deren Preis fast schon einen Mittelklassewagen leisten. Und Miro hat eben diese Sounds und das Know-How. Wie gesagt, er hat für uns sämtliche Orchesterarrangements gemacht, und er wird das dann live spielen. Wir werden also kein Orchester dabei haben. Ich finde, wenn du es mit einer Rockband richtig krachen lässt, dann ist es auch ganz schwer, ein Orchester auch der Bühne zu haben. Viele Bands spielen ja auch tatsächlich mit Playback, weil ansonsten zu viel Soundmüll in die Tonabnehmer der Orchesterinstrumente reinballert, was kein gutes Ergebnis mehr gewährleistet. Bei so etwas wie Rock Meets Classic geht das wahrscheinlich eher, weil die Band ein bisschen gedämpfter spielt und alles ein bisschen zurückhaltender ist.

.rcn: Nur noch eine letzte Frage: Wen würdest du dir sozusagen als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk auf deiner nächsten Avantasia-Platte wünschen?
 
Toby: Bruce Dickinson! Ich habe ihn schon mehrfach getroffen und er war eigentlich immer nett. Ich glaube er ist sehr selbstbewusst, aber er war nie unfreundlich.

Am 26. April kann man sich übrigens in der Stadthalle Lichtenfels live vom neuen Album überzeugen! Wie immer hat Toby einen bunten Reigen an Gastmusikern im Studio versammelt, die sonst im Melodic-Metal eigentlich keiner an einen Tisch bekommt: Bob Catley (Magnum), Biff Byford (Saxon), Michael Kiske (Unisonic, ex-Helloween), Joe Lynn Turner (ex-Rainbow, ex-Deep Purple), Eric Martin (Mr. Big), Ronnie Atkins (Pretty Maids). Wir präsentieren und verlosen 3x2 Karten, Mitmachen: Mail mit Name und Tel.Nr. an verlosung@rcnmagazin.de