NOISE/POSTROCK
MURMANSK
RÜÜTLI
G-RECORDS / ROUGH TRADE
Selten so auf die Fresse bekommen! Nein, ich spreche jetzt
nicht für die Gegner der Klitschko-Brüder im Boxring, sondern
von meinem Eindruck nach dem lauten Hören der neuen
Murmansk-Platte. Eine echt feiste Wall-Of-Sound-Platte. Das ist
schon ein bemerkenswertes Teil Rockmusik einer sehr jungen,
finnischen Musikertruppe (drei Jungs, ein Mädel). Quasi die
vertonte Polarnacht hoch droben in Lappland, wenn der Frost bei
klarem Himmel klirrt, die Musik der Wind macht und am Himmel
die Polarlichter wabern. Hat gleichzeitig etwas Psychedelisches
und Progressives. Pflichtstück also für den breiten Fankreis
zwischen Tool, Long Distance Calling, Mogwai und von mir aus
sogar den Smashing Pumpkins, aber ohne Billy Corgans
Quäkestimme. Der Distortion-Sound von Murmansk wird durch einen
lemmyesk-gestrichenen, hochgeschraubten Bass dominiert, die
Gitarren dürfen sich hinten anstellen und auch gerne mal etwas
herumjaulen oder mäandernde Solos beisteuern. Über all dem
fetten Krach kreist dann die Stimme von Sängerin Laura
gleichzeitig klagend und unschuldig wie das oben beschriebene
Nordlicht über der Polarnacht. Man MUSS das Teil lyrisch
beschreiben, denn rational geht das nicht. Außerdem hat die
Band hörbar detailverliebt an den Songs geschraubt und
entsprechend vielschichtig eingespielt. Die Reihenfolge der
Songs macht Sinn, denn sie steigern sich in Härte und direkt
zur Mitte hin, um dann wieder abzuflachen. Wie in Finnland, wo
es bekanntlich weniger Berge als vielmehr Hügel gibt. Die Weite
der Landschaft macht es aus, und die kann man auf diese Platte
übertragen. Eins dieser Alben, die man wochenlang hören kann,
weil einen Lauras Stimme Anfangs so deplatziert vorkommt, das
man fasziniert länger reinhört. Um dann schlussendlich
festzustellen, dass genau dieser Kontrast den Reiz der Platte
mit dem signifikanten 80er-Wavemusik-Bass ausmacht. Völlig
eigenständig!
EF
8 von 9 Punkten