BILLY TALENT, 05.07.2010, WÜRZBURG, POSTHALLE
Punk-Sauna in Würzburg! Einen der heißesten Tage des Jahres
hatten sich BILLY TALENT ausgesucht, um eines von drei
Club-Konzerten in Deutschland zu spielen. 44 Grad Hitze und 95
Grad Luftfeuchte dürften in der Posthalle geherrscht haben, die
extra verkleinert worden war, weil die Band nach ihren ganzen
Großkonzerten und Festival-Auftritten wie bei Rock am Ring
wieder einmal die Intimität in kleineren Locations spüren
wollte. Natürlich war der Auftritt rasend schnell ausverkauft
und 1400 glückliche Besucher stopften sich in die Halle, die
schon vor Beginn einem Treibhaus glich. Der Anteil an
weiblichem Publikum war erstaunlich hoch, mehr als die Hälfte,
so schien es. Muss wohl mit an BILLY TALENT-Frontmann Benjamin
Kowalewicz liegen, der ja auch wirklich ein süßer Schnuckel
ist. Punkt 21 Uhr knatterten BILLY TALENT los, ohne Vorband,
ohne Firlefanz direkt hinein in die Vollen. Wuchtig, aggressiv,
Shouter Kowalewicz stürzte gleich vor an die Monitorboxen,
schrie sich die Lunge aus dem Leib. Das war kein California
Surf-Pop-Punk, wie man beim überwiegend jugendlichen Publikum
hätte vermuten können, das hatte Rohheit, Wildheit, das hatte
Substanz, das war noch mehr Punk als Rock oder gar Pop. Bestens
gelaunt präsentierte sich das kanadische Quartett, das mit
ihren mittlerweile drei Alben so einen rasanten Aufstieg auch
in die Charts genommen hat. Der Frontmann im "Against Me"-Shirt
machte Scherze über den Würzburger Wein und spätestens als er
meinte (es war kurz vor dem Halbfinale gegen Spanien!),
sie hätten bei der Fußball-WM von Anfang an auf Deutschland als
Weltmeister gesetzt, erreichte die Begeisterung fast
ekstatische Ausmaße. ("Aber im Hockey machen wir Kanadier euch
platt!") Gitarrist Ian D´Sa zeigte sich mit Rockabilly-Tolle,
die wie festbetoniert auf seinem Kopf saß. Interessant war, ob
er seine genialen Gitarren-Läufe auch live so bringen könne wie
auf den Alben oder ob da studiotechnisch viel nachgeholfen
wurde. Fazit: er konnte es, perfekt! So knallte die Band einen
Kracher nach dem anderen in die tobende Meute vor der Bühne.
Dabei fast alle Songs von ihrer aktuellen CD, geschickt
hineingemischt aber auch Highlights der ersten beiden Scheiben
wie "Surrender", "River Below", "Fallen Leaves" oder "Try
Honesty". Man muss ja nicht wie bei manchen Kollegen auf die
zwei, drei Hits warten, die sie hatten, sondern BILLY TALENT
können aus dem Vollen schöpfen, was ihr Songmaterial angeht.
Einzig "Devil In A Midnight Mass" wurde vermisst. Schade nur,
dass sie sich erst bei den Zugaben "Devil On My Shoulder" und
"Red Flag" erlaubten, mal das strenge Korsett der Songs zu
verlassen und live ein bisschen improvisierend über die Stränge
zu schlagen, warum nicht öfter? Musikalisch können sie es. Nach
75 intensiven Minuten inklusive 3 Zugaben-Songs wankte die Band
ebenso komplett tropfnass verschwitzt von der Bühne wie das
Publikum aus der Halle - nur die Beton-Tolle von Ian D´Sa saß
noch immer wie eine Eins.
JIG